Guam:Im Visier der Kriegstreiber

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Nordkoreas Diktator droht, Raketen auf Guam zu schießen. Die Insel ist der wichtigste US-Vorposten im Pazifik.

Von Arne Perras, Singapur

Wo Japaner ausspannen: Der Tourismus gewinnt in Guam an Bedeutung. Die Nordkorea-Krise könnte das beenden. (Foto: Erik De Castro/Reuters)

Nordkoreas Diktator droht, Raketen auf Guam abzuschießen. Guam? Lange rangierte die Insel im Westpazifik weit unter dem Radar der globalen Aufmerksamkeit, doch das Muskelspiel von Kim Jong-un hat das schlagartig verändert. Strategisch bedeutsam ist der US-Stützpunkt seit vielen Jahrzehnten, er ist Washingtons wertvollster Vorposten im Stillen Ozean, gilt als unverzichtbar, um den militärischen Einfluss auf der asiatischen Seite des Pazifiks zu sichern. Ein Militärschlag auf Guam würde mit großer Wahrscheinlichkeit einen Krieg provozieren.

Guam ist ein so genanntes nicht inkorporiertes Territorium der USA, auch "Außengebiet" genannt. Deren Bürger haben zwar einen amerikanischen Pass, aber bei Präsidentschaftswahlen kein Stimmrecht. Mit 544 Quadratkilometern Fläche ist es nicht einmal doppelt so groß wie München, verfügt aber über zwei wichtige Militärstützpunkte. Auf der Luftwaffenbasis Andersen im Norden sind Hubschrauber und Langstreckenbomber stationiert, die Marine hat ihre Basis im Süden, mit vier nuklear betriebenen U-Booten und Begleitschiffen. Mehr als 7000 US-Einsatzkräfte verrichten auf der Insel ihren Dienst, außerdem sollen Tausende Marinesoldaten von Okinawa in Japan nach Guam verlegt werden.

Zwischen Pjöngjang und Guam liegt eine Strecke von 3400 Kilometern. Eddi Baza Calvo, Gouverneur des US-Territoriums, war sehr bemüht, Gelassenheit auszustrahlen und warnte: "Dies ist nicht die Zeit für Panik." Trotz des rhetorischen Schlagabtauschs zwischen Donald Trump und Kim Jong-un gebe es keine unmittelbare Bedrohung, behauptete er. Neben den US-Soldaten und ihren Angehörigen kommen auch viele Touristen, vor allem Japaner, die an den Stränden ausspannen wollen. In politisch aufgeheizten Zeiten ist das allerdings nicht so einfach.

Auf Guam müssen nun alle darauf vertrauen, dass sie im Falle eines Angriffs durch US-Abwehrsysteme geschützt sind. Seit 2013 verfügt die Insel über THAAD (Terminal High Altitude Area Defense), das ballistische Raketen in der Endphase des Fluges zerstören kann. Drohungen aus Nordkorea sind für die Inselbewohner zwar nicht neu, doch die jüngste Zuspitzung schürt doch Sorgen. "Jeder hier hat Angst", zitierten australische Medien die Bewohnerin Daisy Mendialo. Die 56-Jährige fühlt sich ohnmächtig, weil in dieser Krise Kräfte am Werk seien, die sie als Bewohner der Insel nicht im Griff haben könnten.

Von hier starteten die US-Bomber während der Kriege in Korea, in Vietnam und später im Irak

Der amerikanische Einfluss reicht mehr als ein Jahrhundert zurück. Washington hatte sich Guams nach dem Sieg über die Spanier 1898 bemächtigt. Seither spielte das Territorium immer wieder eine herausragende Rolle in Zeiten großer Konflikte. Kurz nach dem Angriff auf Pearl Harbor 1941 landeten die Japaner hier, drei Jahre später eroberten US-Streitkräfte Guam zurück. Fortan diente die Insel als Stützpunkt für die US-Militärmaschinerie im Korea-Krieg, in Vietnam und später im Irak. Viele Bomber vom Typ B-52 starteten von Guam aus, allerdings nicht die beiden B-29, die 1945 Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki warfen. Sie hoben von Tinian ab, einer Marianen-Insel.

Angesichts wachsender Spannungen in der Region, die von territorialen Streitigkeiten im Süd- und Ostchinesischen Meer bis zur Nordkorea-Krise reichen, gehen Analysten davon aus, dass die Bedeutung der US-Basis Guam weiter zunimmt.

Besiedelt wurde die Insel vor etwa 4000 Jahren, die Pioniere waren Seefahrer aus Südostasien. Ferdinand Magellan, der Guam für die Europäer entdeckte, kam erst 1521. Im 17. Jahrhundert setzten sich die Spanier fest, sie herrschten, bis im späten 19. Jahrhundert die Amerikaner die Oberhand gewannen. Inzwischen leben auf Guam etwa 160 000 Menschen, die meisten gehören zur Ethnie der Chamorro, sie sind Nachfahren früher Siedler. Die Ökonomie wird von den US-Stützpunkten getragen, auch wenn der Tourismus allmählich an Bedeutung gewinnt.

© SZ vom 11.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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