Große Koalition:Von wegen amtsmüde

Warum die Regierenden zwar einiges, aber nicht genug tun.

Von Cerstin Gammelin

In der großen Koalition war die Stimmung schon mal deutlich schlechter. CDU, CSU und SPD hatten sich in der Generaldebatte zum Bundeshaushalt 2020 am Mittwoch so gerne, dass man daran zweifeln musste, ob diese koalitionäre Liebe tatsächlich kurz vor dem Aus stehen könnte. Auch die Bundeskanzlerin, die sich zuletzt so rar gemacht hatte, dass manche munkelten, die Physikerin Angela Merkel habe sich praktisch selbst entmaterialisiert, meldete sich überraschend leidenschaftlich zurück. Amtsmüdigkeit? Von wegen.

Die friedvolle Selbstinszenierung der Regierungspartner sagt freilich nichts darüber aus, wie gut sie wirklich regieren. Da liegt die Wahrheit zwischen der eigenen Einschätzung, wonach man die wichtigen Weichen für die Zukunft gestellt habe, und der Kritik - "kraftlos, tatenlos, verantwortungslos" - der linken Opposition.

Ja, es war klug, in stürmischen außenpolitischen Zeiten die Binnenkonjunktur und die Schwächeren der Gesellschaft zu stärken. Weniger klug ist es, ständig Rekordinvestitionen anzukündigen, aber nicht vorzunehmen. Wenn symbolträchtige Großprojekte wie der Hauptstadtflughafen oder die Schnelltrassen der Bahn nie fertig werden, wird der Bürger zu Recht daran zweifeln, dass die Regierenden genug tun. Da können sie noch so nett zueinander sein.

© SZ vom 28.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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