Große Koalition:CDU und SPD ringen um neuen Kurs

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Die Koalitionsparteien suchen in Klausuren nach ihren Positionen: Die Christdemokraten planen Regionalkonferenzen vor der Entscheidung über den Parteivorsitz. Der SPD-Vize übt harte Kritik an seiner Partei.

Von Stefan Braun, Berlin

Nach den verheerenden Stimmenverlusten von Union und SPD bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen bemühen sich CDU und SPD um eine Standortbestimmung und Neupositionierung. Beide Parteivorstände kamen am Sonntagnachmittag zu getrennten Klausursitzungen zusammen; beide Parteien müssen um ihren Bestand als Volkspartei fürchten und suchen nach Wegen, sich personell und inhaltlich neu aufzustellen.

Aus der Sitzung der Christdemokraten, die am Nachmittag begann, drang am Abend nach draußen, dass sich mindestens zwölf Frauen und Männer um den Parteivorsitz bewerben. Es zeichnete sich ab, dass die Partei vor der anstehenden Neuwahl mehrere Regionalkonferenzen abhalten wird, um den Kandidaten die Gelegenheit zu geben, sich der Parteibasis vorzustellen. Zugleich haben sich die Vorsitzenden der 16 Landesverbände offenbar schon vorab darauf verständigt, auf einen Mitgliederentscheid zu verzichten. Negative Erfahrungen wie die des seit Jahren zerstrittenen Landesverbands Baden-Württemberg haben offenbar alle überzeugt, von diesem Weg abzusehen - zumal das Partei-Statut der CDU einen solchen Schritt bisher auch nicht vorsieht.

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner lobte den Beschluss für Regionalkonferenzen. Damit komme die Partei zu ihren Mitgliedern. "Raus aus Berlin - das ist ein motivierendes und mobilisierendes Element für die CDU", schrieb Klöckner auf Twitter. Ob es über die Klärung des Prozedere hinaus auch inhaltliche Beschlüsse geben wird, stand am Abend nicht fest. Es galt aber eher als unwahrscheinlich, weil Festlegungen die Kandidaten im Wettstreit um den Parteivorsitz frühzeitig inhaltlich beschneiden könnten.

Anders sieht die Lage beim SPD-Vorstand aus. Nachdem auch Parteilinke am Wochenende betont hatten, dass es nicht um eine Neuaufstellung an der Parteispitze gehe, dürften sich die Debatten ganz auf die inhaltliche Positionierung der SPD konzentrieren. Zuletzt hatte vor allem die SPD-Politikerin Simone Lange öffentlich eine neue Parteispitze gefordert; die Flensburger Bürgermeisterin war der Parteivorsitzenden Andrea Nahles bei der letzten Wahl unterlegen. Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel sagte, die SPD sei in vielen Fragen nicht mehr identifizierbar. "64 Prozent der Menschen im Land sagen, sie wüssten nicht mehr, wofür die SPD steht", sagte Schäfer-Gümbel dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Er forderte eine Erbschafts- und eine Vermögenssteuerreform, um Investitionen in die Bildung und in die Pflege zu finanzieren. Sein Kollege Ralf Stegner betonte in einem Zehn-Punkte-Papier, das er als Grundlage für die Klausur präsentierte, die Koalition müsse "drastisch und rasch" ihre Arbeit und ihr Erscheinungsbild ändern. Andernfalls dürfe die SPD nichts mehr mittragen, "auch nicht zähneknirschend". Die Partei brauche "mehr Selbstbewusststein statt Selbstbeschäftigung, mehr Haltung statt Zaudern", sagte Bundesaußenminister Heiko Maas. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer warnte vor einem Ausstieg aus der großen Koalition.

© SZ vom 05.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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