Großbritannien:Zwischen allen Stühlen

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Egal, wie der Brexit-Deal am Ende ausfällt, Theresa May wird Mühe haben, diesen durchs Parlament zu bringen.

Von Cathrin Kahlweit, London

Wieder auf der großen Bühne: Der Brite Nigel Farage ist einer der schärfsten Vertreter der Brexit-Kampagne, das Gehalt als EU-Abgeordneter nimmt er gleichwohl gerne. (Foto: Matt Cardy/Getty Images)

Nigel Farage müsste der EU eigentlich dankbar sein. Der Brexit-Fan und frühere Vorsitzende der britischen EU-Austrittspartei Ukip sitzt als Abgeordneter im Europäischen Parlament, bezieht dort ein schönes Gehalt plus Aufwandsentschädigungen, die er nicht alle immer regelkonform verwendet. Trotzdem war er einer der schärfsten Verfechter der Leave-Kampagne. Nach dem Referendum, das bekanntlich in seinem Sinne ausging, wurde die Ukip bedeutungslos, Farage irrlichterte durch die Politik. Aber jetzt ist er wieder voll da.

Neuerdings zeigen sich besonders hartleibige Tory-Brexiteers gern mit dem eitlen Populisten. Gemeinsam wollen sie den Brexit-Deal torpedieren, den Premierministerin Theresa May eigentlich in dieser Woche vorlegen will. Sollte die Regierung, anders als versprochen, keine Befristung, kein klares Ablaufdatum für einen Verbleib in der Zollunion mit der EU in den Vertrag schreiben, sollte also Großbritannien über die Übergangsphase hinaus ökonomisch an die EU gebunden sein, soll May gestürzt werden. Die Tories wollen die nötigen Stimmen aufbringen, Farage soll bei seinen Fans für die Begleitmusik sorgen.

Aber May hat noch ganz andere Sorgen als Farage, dessen Partei im Parlament bedeutungslos ist. Es gibt auch viele Schwergewichte, die ihr den Kampf angesagt haben. Die Hardliner auf ihrer Rechten drohen mit einer "leadership challenge", also einer Art Misstrauensvotum gegen die Parteichefin und Premierministerin, die sich dann einer Abstimmung stellen müsste. Mehrere Herausforderer laufen sich schon warm. Die Brexit-Gegner auf ihrer Linken haben gerade eine Interessengruppe innerhalb der Fraktion gegründet, sie kämpfen für ein zweites Referendum. Und: Die schottischen Nationalisten wie die nordirischen Unionisten wollen ihr die Gefolgschaft verweigern, wenn es in wenigen Wochen im Unterhaus zu einer Abstimmung über einen Brexit-Deal kommt.

Die Premierministerin hofft in ihrer Not auf Stimmen von Labour-Abgeordneten

Dem Vernehmen nach setzt May in ihrer Not auf Stimmen von Labour-Abgeordneten, die sich der eigenen Parteiführung widersetzen und die Tories bei einem weichen Brexit unterstützen könnten. Aber sicher ist es nicht, dass die Premierministerin aus dem Oppositionslager genügend Stimmen bekommt.

Eine Lösung ist nicht in Sicht. Der Guardian zitiert einen ungenannten Ex-Minister, der sagt, "dies könnte das Ende für May sein". Er sehe nicht, wie sie einen Deal zusammenzimmern könne, der auch nur den Hauch einer Chance habe, im Parlament eine Mehrheit zu bekommen.

Schwierig ist die Lage der Premierministerin außerdem, weil ein Teil ihres Kabinetts ihr die Gefolgschaft verweigern könnte. Und selbst ihre parlamentarische Mehrheit für andere Themen als den Brexit ist in Gefahr. Nach der vergeigten, vorgezogenen Unterhauswahl 2017, bei der die Konservativen ihre Mehrheit verloren, holte sich May in ihrer Not Unterstützung bei der nordirischen, protestantischen DUP. Die stimmt in Westminster nun mit den Tories; als Gegenzug sicherte London der DUP eine Milliarde Pfund zusätzliches Budget für Nordirland zu.

Die DUP droht nun, May ihre Unterstützung zu entziehen und etwa gegen den Haushalt zu stimmen, den der Finanzminister in zwei Wochen vorlegen will. Die Nordirischen Unionisten wollen so den Druck erhöhen und jeden Vertrag mit Brüssel verhindern, der ihre Provinz, anders als den Rest des Königreichs, in Teilen des Binnenmarkts beließe, um eine harte Grenze zur Republik zu verhindern. Die Regierung müsste sich dann andere Mehrheiten suchen. Aber das dürfte derzeit sehr schwierig sein.

© SZ vom 15.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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