Großbritannien:Parlamentarier zu mieten - 5000 Pfund am Tag

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Die guten Kontakte zur Regierung nutzen, vielleicht ein lukratives Geschäft anschieben - britische Ex-Minister bieten bereitwillig ihre Dienste an.

Wolfgang Koydl

Kleine Gefälligkeiten erhalten bekanntlich die Freundschaft. Manchmal ölen sie darüber hinaus das parlamentarische und gesetzgeberische Getriebe.

Wenn sie auch noch messbare Spuren auf dem eigenen Bankkonto hinterlassen, dann gibt es eigentlich nichts mehr zu klagen. Dies jedenfalls scheint die Überzeugung des früheren britischen Ministers Stephen Byers zu sein.

Er findet nach wie vor nichts dabei, dass er sich selbst und sein früheres Amt in den Dienst privater Unternehmen stellte, die Einfluss auf die Regierungsarbeit nehmen wollten.

Versteckte Kamera

"Wie ein Taxi" könne man ihn mieten, hatte sich der Labour-Politiker gerühmt. Für ein Honorar von 5000 Pfund pro Tag würde er, falls gewünscht, auch vertrauliche Informationen aus der Downing Street, dem Amtssitz des Premierministers, beschaffen.

Selbstgefällig breitete er seine Leistungsbilanz aus: Für einen Kunden habe er einen Deal mit dem Transportministerium eingefädelt, für die Supermarktkette Tesco sei er beim Wirtschaftsministerium erfolgreich vorstellig geworden.

Was Byers nicht wusste: Ein Gesprächspartner war kein Industrievertreter, sondern ein Journalist. Eine versteckte Kamera zeichnete alles auf.

Abgeordneter wollte "offen gestanden, Geld machen"

Ebenfalls enttarnt wurden Ex-Gesundheitsministerin Patricia Hewitt und Geoff Hoon, der früher mehrere Ressorts verwaltet hatte. Beide Politiker boten dem vermeintlichen Auftraggeber an, ihre alten Kontakte im Regierungsapparat spielen zu lassen.

Ihr Honorar: Jeweils 3000 Pfund am Tag. Hoon war besonders ehrlich: Er wolle, sagte er, "offen gestanden, Geld machen".

Byers hat mittlerweile erklärt, dass er in dem aufgezeichneten Gespräch seine Einflussmöglichkeiten und Erfolge schamlos übertrieben habe. Aber er habe sich nichts zu Schulden kommen lassen, da er sich im Rahmen der Vorschriften bewegt habe, die für Abgeordnete gelten.

Damit hat er sogar recht: Lobby-Tätigkeiten sind Unterhausabgeordneten nicht untersagt, sie müssen Einkünfte nur melden. Ex-Minister müssen sich freischaffende Tätigkeiten in den ersten zwei Jahren nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt von einer Parlamentsbehörde genehmigen lassen. Bemühungen, das Lobby-Wesen in Westminster zu reformieren, sind bislang fehlgeschlagen.

Vier Wochen vor der Wahl

Der jüngste Skandal Großbritanniens, der gemeinsam von Sunday Times und dem TV-Sender Channel 4 wenige Wochen vor der Unterhauswahl aufgedeckt wurde, dürfte das Vertrauen der Wähler in ihre Politiker nicht gerade erhöht haben.

Bereits im vergangenen Jahr hatte der Ruf des Parlaments und ihrer Repräsentanten nachhaltig Schaden genommen, nachdem bekannt geworden war, wie großzügig zahlreiche Abgeordnete die Spesenregeln ausgelegt hatten, damit sie sich bereichern konnten.

© SZ vom 23.2.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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