Großbritannien:Kann der das?

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Die Krise mit Iran trifft London mitten im Macht­wechsel. Es gibt Zweifel, ob der designierte Premier Johnson der Sache gewachsen ist.

Von Stefan Kornelius

Der Konflikt mit Iran um den vor der Küste Omans gekaperten Tanker trifft die britische Politik im Übergang zu einem neuen Premierminister und hat in London zu einer hitzigen Debatte über die Handlungsfähigkeit der Regierung geführt. Der frühere First Sea Lord, also der ehemalige Chef des Stabes der Royal Navy, Admiral Lord Alan West, warf der Regierung in einem Beitrag für den Observer vor, die Schifffahrt im Golf nicht ausreichend geschützt zu haben, weil sie im Machtkampf um die Besetzung des Premierministerpostens abgelenkt sei. Tobias Ellwood, Staatssekretär im Verteidigungsministerium, entgegnete, es sei schier unmöglich, alle Schiffe unter britischer Flagge zu schützen.

Am Wochenende vor der Ernennung des Nachfolgers von Theresa May traf sich das Sicherheitskabinett zu Krisensitzungen und beriet mögliche Sanktionen gegen Iran und diplomatische Optionen zur Entschärfung der Situation. Außenminister Jeremy Hunt, der mit dem konservativen Politiker Boris Johnson um die Nachfolge Mays ringt, will angeblich am Montag eine Reihe von Maßnahmen vorlegen. Der iranische Botschafter wurde einbestellt, erwartet wurden auch Abstimmungsversuche mit europäischen Verbündeten. Es wird vermutet, dass die Regierung Handelssanktionen gegen Iran verhängt und iranische Vermögen einfriert.

Über Jeremy Hunt wird spekuliert, dass er auch unter Boris Johnson Außenminister bleibt

Am Dienstag dieser Woche werden die Tories das Ergebnis einer Mitgliederabstimmung über den neuen Parteivorsitz bekannt geben. Nach britischer Lesart ist der Vorsitzende auch Chef der Unterhausfraktion und damit automatisch Premierminister. Theresa May wird den Plänen zufolge am Mittwoch ihr Amt abgeben, ehe der neue Premier von der Königin mit der Bildung einer Regierung beauftragt wird. Allen Umfragen unter den zur Abstimmung berechtigten Tory-Mitgliedern sagen einen deutlichen Sieg Johnsons voraus.

London steht ganz im Bann dieses Machtwechsels und ist erfüllt von Spekulationen über neue Kabinettsmitglieder und die politische Linie des neuen Premiers. Wenig überraschend verkündete der bisherige Schatzkanzler Philip Hammond am Sonntag, dass er einem Kabinett von Boris Johnson nicht angehören wolle, um so seiner drohenden Entlassung zuvorzukommen. Hammond gilt in der Brexit-Auseinandersetzung mit der EU als ruhiger und berechenbarer Akteur, der sich vehement gegen einen ungeregelten Austritt stellen wird. Es gilt als wahrscheinlich, dass er ein Misstrauensvotum gegen Johnson anstreben würde, sollte der neue Premier ohne Verabredung zum 31. Oktober aus der EU austreten wollen. Hammond sagte, er werde am Mittwoch kurz vor dem Rücktritt der Premierministerin seinen Rücktritt einreichen. Auch Justizminister David Gauke wird das Kabinett verlassen.

Über Hunt wird spekuliert, dass Johnson ihm anbieten könnte, das Außenministerium auch nach einer Niederlage im Parteiwettbewerb weiter zu führen. Die Krise mit Iran mache ihn unantastbar im Ministeramt. Ironischerweise war es Hunt, der auch am Wochenende seinen Rivalen Johnson mit Informationen über die Krise mit Iran versorgte. Johnson, der als Außenminister eine unglückliche Rolle gegenüber Iran gespielt hat, steht jetzt bereits im Verdacht, dass er der Krise nicht gewachsen sein könnte.

© SZ vom 22.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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