Großbritannien:Johnsons Niederlage

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Das Oberste Gericht erklärt die von Premier Boris Johnson verhängte Zwangspause des Parlaments für nichtig. Für die Regierung wird es damit immer schwieriger, ihren Brexit-Plan durchzusetzen.

Von Alexander Mühlauer, London

Er werde das Gerichtsurteil respektieren, sagte der britische Premierminister Boris Johnson, beharre aber gleichwohl darauf, sein Land am 31. Oktober aus der EU zu führen – mit oder ohne Abkommen. Aus der Opposition kommen Aufforderungen, Johnson solle zurücktreten. (Foto: Mark Lennihan/dpa)

Das oberste Gericht des Vereinigten Königreichs hat die von Premierminister Boris Johnson verhängte Zwangspause des britischen Parlaments für rechtswidrig erklärt. Die Unterbrechung sei nichtig, da sie das Unterhaus in "extremer" Weise an der Ausübung seiner konstitutionellen Aufgaben hindere, urteilte der Supreme Court am Dienstag in London. Parlamentspräsident John Bercow kündigte an, dass das Unterhaus an diesem Mittwoch wieder zusammentreten werde. Johnson zeigte sich am Rande der UN-Generalversammlung in New York uneinsichtig. Das Urteil sei falsch, müsse aber respektiert werden, sagte er. Es gebe viele Versuche, den Brexit zu stoppen, erklärte der Premier.

Das von der Gerichtspräsidentin Brenda Hale verlesene Urteil ließ in seiner Deutlichkeit keine Fragen offen: "Das Parlament ist nicht suspendiert. Das ist das einstimmige Urteil aller elf Richter." Das Unterhaus habe ein Recht darauf, in der Zeit vor einem wichtigen Ereignis wie dem geplanten EU-Austritt eine Stimme zu haben. Die von Johnson bei Königin Elizabeth II. erwirkte Anordnung zur Parlamentsschließung gleiche einem "weißen Blatt Papier", erklärte Hale. Es handele sich um einen einmaligen Fall, den es unter diesen Umständen noch nie gegeben habe und "den es wahrscheinlich auch nie wieder geben wird".

Für Johnson, der sein Land unter allen Umständen am 31. Oktober aus der Europäischen Union führen will, ist die Entscheidung des Supreme Court eine massive Niederlage. Labour-Chef Jeremy Corbyn forderte den Premierminister auf, sein Amt zu überdenken, und sprach sich für Neuwahlen aus. Die Chefin der oppositionellen Liberaldemokraten, Jo Swinson, sagte, Johnson sei unfähig zu regieren.

Die Zwangspause des Parlaments hatte in der Nacht zum 10. September begonnen. Statt der üblichen zwei Wochen ließ Johnson die Unterhaus-Sitzungen um fünf Wochen aussetzen. Vor dem Supreme Court argumentierten die Anwälte der Kläger, Johnson wolle damit die Abgeordneten davon abhalten, seinen Brexit-Kurs zu durchkreuzen. Die Regierungsanwälte erwiderten, es sei allein Sache des Premierministers und nicht von Gerichten, über die Dauer der Parlamentspause zu entscheiden.

Trotz der sogenannten Prorogation konnte Johnson nicht verhindern, dass die Abgeordneten noch kurz zuvor ein Gesetz verabschiedeten, das seine Handlungsmöglichkeiten stark einschränkt. Sollte es bis zum 19. Oktober keine Brexit-Einigung mit der EU geben, muss der Premier um eine weitere Verlängerung der Austrittsfrist bitten. Johnson will nun bis zum EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober versuchen, doch noch einen Deal zu erreichen. EU-Chefunterhändler Michel Barnier dämpfte allerdings zu Beginn dieser Woche die Erwartungen: Er sehe keinen Grund für Optimismus, dass es eine Lösung für die umstrittene Grenzfrage zwischen Irland und Nordirland gebe. Die EU-Kommission wollte das Urteil des Supreme Court nicht kommentieren. Es handele sich um interne verfassungsrechtliche Fragen eines Mitgliedstaates, sagte eine Sprecherin.

© SZ vom 25.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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