Großbritannien:Fahrt mit Folgen

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Die mutmaßlichen Verstöße seines Chefberaters Dominic Cummings gegen die Corona-Regeln belasten Boris Johnsons Regierung weiter schwer: Die Bevölkerung ist erzürnt, die Konservative Partei verliert Rückhalt.

Von Alexander Mühlauer, London

In der Affäre um seinen umstrittenen Chefberater ist der Druck auf den britischen Premierminister Boris Johnson weiter stark gestiegen. Fast 40 Abgeordnete der Konservativen Partei forderten bereits den Rücktritt von Dominic Cummings. Johnson habe Schwierigkeiten, die wachsende Revolte in den eigenen Reihen zu kontrollieren, berichtete die Times am Mittwoch. Nach Recherchen des Daily Telegraph sollen bis zu sechs Kabinettsmitglieder hinter vorgehaltener Hand gesagt haben, dass Cummings abtreten sollte. Umfragen zufolge verloren die regierenden Tories deutlich an Zuspruch, während die Opposition in der Wählergunst zulegte. Aus Protest gegen Cummings' Verhalten war bereits am Dienstag Staatssekretär Douglas Ross zurückgetreten.

Auch unter den britischen Bürgern ist das Unverständnis über Cummings groß. Bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov gaben 71 Prozent der Befragten an, dass sie Cummings' Autofahrt von London nach Nordengland für einen Verstoß gegen die Ausgangsbeschränkungen der Regierung in der Corona-Krise halten. 20 Prozent sahen das nicht so, neun Prozent wollten keine Aussage treffen. In einer weiteren Meinungsumfrage für die Daily Mail sprachen sich 66 Prozent der befragten Bürger für einen Rücktritt des Johnson-Vertrauten aus. 17 Prozent der Befragten waren anderer Meinung, ebenso viele wollten kein Urteil abgeben.

Die Regierung war unterdessen darum bemüht, die Debatte über Cummings möglichst rasch zu beenden. So sagte etwa der Minister für Wohnungsbau, Robert Jenrick, in der BBC: "Das Richtige ist nun, nach vorne zu schauen und die viele Themen im Zuge des Coronavirus anzugehen." Ähnlich hatte sich am Vorabend Gesundheitsminister Matt Hancock geäußert. Er bekräftigte zudem die Regierungslinie, wonach Cummings' Verhalten innerhalb der Richtlinien gelegen habe - diese seien mit Blick auf "außergewöhnliche Umstände" wie im Fall Cummings entworfen worden. Hancock zeigte allerdings auch Verständnis für eine andere Sichtweise: "Ich verstehe, dass vernünftige Menschen dem nicht zustimmen, und natürlich verstehe ich einen Teil des Ärgers, der über das Wochenende hochgekocht ist."

Cummings hatte am Montagabend in einer einstündigen Pressekonferenz Vorwürfe zurückgewiesen, er habe mit einer Reise zu seinen Eltern die Vorschriften der Regierung zum Coronavirus ignoriert, zurückgewiesen. Er bereue sein Verhalten nicht und habe auch nie einen Rücktritt in Erwägung gezogen, sagte Johnsons Chefberater. Der Premierminister war vom sogenannten Liaison-Committee des Parlaments gebeten worden, am Mittwochnachmittag zum Fall Cummings Stellung zu nehmen. Er blieb bei seiner Haltung und verteidigte seinen Chefberater. Das Gremium besteht aus den Vorsitzenden der ständigen Ausschüsse des Parlaments und ist das einzige, gegenüber dem der Premierminister Rechenschaft ablegen muss.

© SZ vom 28.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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