Großbritannien:Die Hand an der Notbremse

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Premier Cameron feilscht mit Brüssel über Sozialleistungen für EU-Bürger. Es geht um nichts Geringeres als den Verbleib Londons in der EU.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Als der britische Premierminister David Cameron am Freitag in Brüssel eintraf, war seine Botschaft schon da. "Es ist noch ein langer Weg, bevor wir etwas sehen, dem wir zustimmen können", hatte Cameron zuvor der BBC gesagt. Er werde in den Verhandlungen mit der Europäischen Union nichts zustimmen, "bevor es nicht die Stärke und das Gewicht hat, um die Probleme zu lösen, die wir haben".

Wiewohl Cameron von einem langen Weg sprach, ging es bei seinen Gesprächen mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Parlamentspräsident Martin Schulz in Brüssel um Kurzfristiges. Eigentlich schon in den nächsten Tagen soll eine Verhandlungsgrundlage für den EU-Gipfel Mitte Februar fertig werden. Cameron braucht eine Einigung, um das von ihm auf den Weg gebrachte Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der EU zu gewinnen.

Es sei ein "schwieriges, aber konstruktives Treffen" gewesen, hieß es nach dem Gespräch mit Juncker aus der Kommission. Teilgenommen hatte auch der Generalsekretär des Europäischen Rates, Jeppe Tranholm-Mikkelsen. An diesem Sonntagabend empfängt Cameron in London EU-Ratspräsident Donald Tusk.

Zentrales Streitthema ist die Forderung des britischen Premierministers, Arbeitnehmern aus anderen EU-Ländern in Großbritannien erst nach vier Jahren Sozialleistungen zu gewähren. Das widerspricht dem in der EU geltenden Diskriminierungsverbot. Auf wenig Begeisterung britischerseits sind bislang Brüsseler Überlegungen zu einer "Notbremse" gestoßen. Sie würde allen EU-Staaten die von Cameron gewünschten Einschränkungen unter der Voraussetzung erlauben, dass von der EU eine besondere Belastung des jeweiligen Sozialsystems festgestellt wird. Fraglich erschien, ob Cameron sich auf eine Regelung einlassen wird, die in der Frage der Sozialleistungen nicht London das letzte Wort gibt.

Britische Medien zitierten den polnischen Außenminister Witold Waszczykowski mit den Worten, sein Land werde "keinem Mechanismus zustimmen, der Polen, die in der EU leben, von Sozialleistungen ausschließt". Viele EU-Ausländer in Großbritannien stammen aus Polen. "Die Nichtdiskriminierung aller Menschen in der EU ist ein Kitt, der die Union zusammenhält", warnte der SPD-Europaabgeordnete Jo Leinen. "Die Aufweichung wäre ein Tabubruch, der negative Auswirkungen für andere Felder der europäischen Politik haben könnte - besonders für das Funktionieren des gemeinsamen Binnenmarktes", sagte der SPD-Politiker.

© SZ vom 30.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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