Griechenland:Tsipras' Krawatte bleibt im Schrank

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Der Premier wollte die Einigung im Schuldenstreit feiern. Doch IWF und Schäuble streiten noch.

Von Alexander Mühlauer und Mike Szymanski, Brüssel/Istanbul

Griechischer Frust: In Athen protestieren städtische Angestellte gegen die geplante Kürzung von Sozialleistungen. (Foto: Louisa Gouliamaki/AFP)

Kurz vor Mitternacht ist es klar: Das wird nichts mehr. Gut acht Stunden haben sie verhandelt, doch am Ende konnten sich die Euro-Finanzminister nicht auf eine Lösung in der Griechenland-Krise einigen. Und so sitzt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am Dienstag im Brüsseler Ratsgebäude und sagt trocken: "Wir sind noch nicht zum Ergebnis gekommen." Insbesondere die Gespräche mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) seien "relativ schwierig gewesen, um es freundlich zu sagen".

Der Fonds aus Washington hat sich noch immer nicht am laufenden Kreditprogramm beteiligt. Für Deutschland ist das aber eine Voraussetzung für weitere Milliardenauszahlungen an Griechenland. So hat es der Bundestag beschlossen. Doch der IWF fordert Schuldenerleichterungen, worüber Schäuble aber am liebsten erst in die Zeit nach dem Programm sprechen würde. Man habe zwar Fortschritte erzielt, sei aber noch nicht am Ziel, sagt dann auch der Europa-Chef des IWF, Poul Thomsen. Der IWF brauche mehr Einzelheiten zu den möglichen Schuldenerleichterungen, die von der Eurogruppe bereits vor einem Jahr in Aussicht gestellt worden seien. "Wir denken, dass mehr Realismus in den Annahmen nötig ist", sagt Thomsen. Der IWF bezweifelt, dass die griechische Schuldenlast langfristig tragfähig ist.

Die Opposition wirft Tsipras vor, er ringe der Bevölkerung viel ab, bringe aber nichts aus Brüssel mit

Schäuble wiederum wirft dem Währungsfonds vor, seinerseits zu negative Annahmen zur Wirtschaftsentwicklung zu machen. Immerhin einen Schritt ist man weitergekommen: Der IWF und die Europäer haben vereinbart, dass Griechenland nach dem Ende des laufenden Programms im Jahr 2018 für fünf Jahre einen Primärüberschuss, also den Staatshaushalt ohne Zinszahlungen, von 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung aufweisen soll. Wie hoch der Überschuss danach ausfallen muss, wird in den kommenden drei Wochen bis zur nächsten Sitzung der Minister diskutiert. Es geht um die durchschnittliche Annahme, welchen Überschuss Griechenland bis etwa 2060 - so lange laufen die bisherigen Kredite - erzielen soll. Im Gespräch sind Werte zwischen einem und 2,5 Prozent. Eine "verdammt lange Zeit", wie Schäuble sagt. Und entsprechend schwer vorherzusagen.

In der Nacht zum Dienstag habe er jedenfalls versucht, dem IWF Brücken zu bauen, erklärt Schäuble. Ein Vorschlag: Der Fonds könnte ein eigenes Programm für Griechenland beschließen und erst am Ende des europäischen Programms mit der Auszahlung beginnen. Außerdem sei man offen gewesen, noch genauer zu definieren, wie die Schuldenerleichterungen aussehen könnten. Doch dann gab es ein Land, dem das ein zu unkonkretes Signal an die Finanzmärkte gewesen wäre. Schäuble nennt es nicht beim Namen, aber es ist klar, wen er meint: Griechenland.

In Athen muss der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras seinen Anhängern wieder einmal eine Nacht der Enttäuschung erklären. Tage zuvor hatte er noch den großen Optimisten gegeben, das Klima, als "zu gut um wahr zu sein" beschrieben. Immerhin damit behielt er recht. Er hatte versprochen, sich eine Krawatte umzubinden, wenn der Schuldenstreit gelöst sei. Das macht er sonst nie. Prompt brachte die Zeitung Kathimerini eine Karikatur: Vom Parlament wehte eine Krawatte in den Farben seines Linksbündnisses Syriza anstelle der griechischen Fahne.

Am Dienstag muss Regierungssprecher Dimitris Tzanakopoulos vor die Presse. Er erzählt, dass es zwar einen Lösungsvorschlag seitens der Kreditgeber gegeben habe, was die Schuldendebatte anging; doch das Konzept habe nicht den Opfern entsprochen, die die Griechen erbracht hätten. Griechenland habe seinen Teil der Verpflichtungen eingehalten, das wäre von der Euro-Gruppe auch so festgestellt worden. Die Schuld fürs Scheitern gibt er anderen: Der IWF und das deutsche Finanzministerium hätten ihre Differenzen nicht überwinden können, auch wenn sie sich angenähert hätten. Daher sei es besser gewesen, sich lieber ein bisschen mehr Zeit zu geben und eine Lösung zu finden, die auch eine Ausweg aus der Krise bedeute. "Es ist Zeit für unsere Partner, ihre Zusagen einzuhalten." Sie seien "moralisch, politisch und rechtlich" dazu verpflichtet.

Vom deutschen Finanzminister seien die Griechen es schon gewohnt, ständig mit neuen Bedingungen in letzter Minute konfrontiert zu werden. Ob er sich betrogen fühlt, will ein Journalist wissen. Der Regierungssprecher spricht lieber von "laufenden Verhandlungen". Das heißt nicht, dass er nicht deutlich wird. Falls es zu keiner Einigung komme, sagte er, müssten auch die griechischen Sparmaßnahmen noch einmal "neu verhandelt" werden.

Die griechische Opposition hat nur Spott für Tsipras übrig. Er habe der Bevölkerung weitere Sparmilliarden abgerungen, aber aus Brüssel nichts mitgebracht.

© SZ vom 24.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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