Griechenland:Sparen leicht gemacht

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Die "schweigende Mehrheit"? Eine pro-europäische Demonstration vor dem Parlamentsgebäude in Athen. (Foto: Yannis Behrakis/Reuters)

Die Regierung in Athen scheint optimistisch zu sein, weitere Opfer durchsetzen zu können.

Von Christiane Schlötzer, Mike Szymanski

Das griechische Arbeits-und Sozialministerium vermittelt die Atmosphäre der Siebzigerjahre, mit Linoleumböden und Pressspanmöbeln, als sei hier die Zeit stehen geblieben. In diesem Gebäude im Zentrum von Athen aber soll demnächst die Zukunft beginnen. Hier wird auch das Schicksal der griechischen Rentner verwaltet, um deren Einkommen nun seit Wochen auf allen Ebenen, von Athen bis Brüssel, gerungen worden ist. Zuständig ist Minister Panos Skourletis, 53. Er ist ein enger Vertrauter von Regierungschef Alexis Tsipras. Skourletis muss nun neue Belastungen für Rentner und Arbeitnehmer verkaufen, entgegen allen Versprechungen seiner Partei. Und doch ist der Mann sicher, dass ihm das gelingt. Die Chancen, sagt er, ein Abkommen mit den Kreditgebern zu schließen, das Griechenland hilft, die Pleite zu vermeiden, seien "in den letzten fünf Monaten noch nie so gut" gewesen wie jetzt.

Die Regierungsspitze in Athen gibt sich am Dienstag betont optimistisch, dass ihr mit neuen Sparvorschlägen der Durchbruch gelingen werde. Die summieren sich laut der Tageszeitung Kathimerini auf 7,3 Milliarden Euro, das Blatt Ta Nea spricht sogar von acht Milliarden Euro. Aber es haben sich auch schon die Kritiker in der Linkspartei lautstark zu Wort gemeldet. "Ich glaube, dieses Programm wird Schwierigkeiten haben, bei uns durchzukommen", schimpft der Syriza-Abgeordnete Alexis Mitropoulos. Vize-Innenminister Giannis Panousis rät Tsipras bereits, Minister zu entlassen, die sich querstellen wollen. Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis mahnt, die Parlamentarier sollten "nicht nur an den Moment" denken, sondern "an das ganze Projekt".

Die Sozialbeiträge sollen steigen. Das ist gewiss kein Wachstumsprogramm

Sozialminister Skourletis gehört nicht zu den Zweiflern, auch wenn er nun erklären muss, warum Rentner und Arbeitnehmer, die man doch schonen wollte, höhere Beiträge in die Sozialkassen leisten sollen. "Auch die Arbeitgeber werden wieder mehr zahlen", sagt Skourletis. Deren Beitrag zur Sozialversicherung hatten die konservativen Vorgänger um 3,5 Prozent reduziert. Das soll rückgängig gemacht werden, auch Arbeitnehmer sollen ein Prozent mehr zahlen. Fragt man Skourletis, wie mit all den geplanten Erhöhungen von Abgaben und Steuern, besonders für die Unternehmen, die Wirtschaft wieder angekurbelt werden soll, sagt er freimütig: "Das ist in der Tat kein Wachstumsprogramm."

Griechenland aber müsse eben erst einmal seine "Verpflichtungen" erfüllen. AuFür einen Aufschwung sei gewiss eine "mildere" Sparpolitik nötig. Und eine Reduzierung der Schuldenquote des Landes. "Das ist ein Katalysator für ein Abkommen." Ohne Aussicht auf Umschuldung werde es aber keine Einigung geben, meint Skourletis auch.

Nun ist letzter Punkt keineswegs klar. Was also, wenn es nun doch keine Verständigung in dieser Woche gibt? "Die Folgen wären für alle unabsehbar", sagt Skourletis. "Deshalb wollen wir eine Einigung." Die Regierungschefs in Europa, die sich bei der Schuldenreduzierung querstellten, "verhalten sich wie Leute, die auf ein Hochhaus klettern und ohne Fallschirm herunterspringen".

Und wenn es am Ende an den eigenen Leute scheitert, an ein paar Linksaußen in der Syriza-Fraktion? Als unberechenbar gilt ausgerechnet Parlamentspräsidentin Zoi Konstantopoulou. Sie hat Notenbankchef Giannis Stournaras gerade ins Parlament zu zitieren versucht wegen eines Berichts der Zentralbank, der vehement vor einem Grexit warnt. Stournaras ließ wissen, er werde an anderer Stelle gebraucht.

Viele Zeitungen urteilen hart: Wieder müssten die Steuerzahler für die Krise bezahlen

Die griechische Presse urteilt teils hart. Ta Nea, die den früher regierenden Pasok-Sozialisten nahesteht, meint, der "Depp" sei wieder der Steuerzahler, der die Rechnung für das "Märchen, die Illusion und die Verspätungen" von Syriza begleichen müsse. Die linke Efimerida ton Syndakton glaubt auch, dass am Ende wieder die griechischen Bürger bezahlen müssten, so wie in den vergangenen fünf Jahren.

Die Abstimmung im Parlament soll am Wochenende stattfinden, wenn es eine Einigung in Brüssel gibt. Sie dürfte für Tsipras ein Härtetest werden. Arbeitsminister Skourletis glaubt: "Wenn sich das Abkommen an unseren Vorschlägen orientiert, geht es durch. Aber ich weiß nicht, was passiert, wenn es noch mal verändert wird." Wie er das Erreichte beurteilt? "Das ist eine mildere Form des Sparens, nicht mehr die gewalttätige, extreme Austerität."

Wie das Land mit sich ringt, kann man auf der Syntagma, dem großen Platz vor dem Parlament, beobachten. Der Riss geht quer durch die Gesellschaft, und in fast schon unheimlicher Disziplin wechseln sich die Lager ab, um ihre Meinung kundzutun. Mal sind es die Syriza-Anhänger. Am Montagabend waren es die Europa-Freunde. "Die schweigende Mehrheit", stand auf einem der Plakate an der Balustrade des Parlamentsgebäudes. Etwa 7000 Teilnehmer, die Mittelschicht war gekommen. Unternehmer, Professoren, Bankangestellte. Prominente Konservative waren da. Sogar der 96-jährige Konstantinos Mitsotakis, Regierungschef von 1990 bis 1993 und langjähriger Vorsitzender der Partei Nea Dimokratia. Reden sollte es nicht geben. Aber Mitsotakis spricht in die Kameras: "Wenn sich das Land in Gefahr befindet", sagt der alte Mann mit brüchiger Stimme, "darf sich keiner in Zuversicht entspannen. Griechenland ist Europa, und es wird Europa bleiben."

© SZ vom 24.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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