Griechenland:Selbst Kaugummi wird teurer

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Athen beschließt Sparpaket und kann auf weitere Milliardenhilfen hoffen.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Es sind tiefe Einschnitte, mal wieder. Zwei Tage hatten sie im Plenum debattiert, dann kam es zur Abstimmung: Am späten Sonntagabend beschloss das griechische Parlament ein Gesetzespaket mit neuen Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen. Nun kann die Regierung in Athen auf die Auszahlung von bis zu elf Milliarden Euro aus dem laufenden Kreditprogramm hoffen. EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici sagte am Montag, damit seien die Voraussetzungen für eine Einigung beim Treffen der Eurogruppe an diesem Dienstag "bei Weitem erfüllt".

Das nun von Athen beschlossene Paket bringt Einsparungen in Höhe von 1,8 Milliarden Euro. Alle 153 Abgeordneten der Regierungskoalition der linken Syriza-Partei von Premier Alexis Tsipras und der rechtspopulistischen Anel stimmten dafür. Nach der Verabschiedung der Beschlüsse trat allerdings die Syriza-Abgeordnete Vasiliki Katrivanou zurück. Auch sie hatte zwar für das Sparpaket votiert und so die knappe Mehrheit von nur drei Sitzen gestützt. Sie sei jedoch nicht einverstanden mit dem Weg, den die Regierung eingeschlagen habe, und wolle deshalb zurücktreten, erklärte sie. "Wir setzen Maßnahmen und Strategien um, die im Widerspruch zu den Grundsätzen unserer Politik stehen", schrieb die Politikerin zur Begründung auf Facebook.

Besonders umstritten war die automatische Schuldenbremse, die nun in Kraft tritt, wenn Griechenland vorgegebene Sparziele der Kreditgeber verfehlt. Sozialausgaben sollen davon allerdings ausgenommen werden. Außerdem sollen zahlreiche weitere Steuern und Abgaben eingeführt oder erhöht werden. So soll die Mehrwertsteuer für viele Lebensmittel und Getränke von 23 auf 24 Prozent steigen, Benzin, Diesel und Heizöl werden ebenso teurer wie Strom, Pay-TV, Internet, Zigaretten und Alkohol. Selbst Kaugummi kostet künftig mehr. Auch Touristen werden stärker zur Kasse gebeten, etwa durch eine Übernachtungspauschale für Hotels und höhere Eintrittspreise für Museen. "Diese Opfer werden die letzten sein", versprach Tsipras im Parlament. Mitglieder der Opposition hatten ihn während der Debatte am Wochenende hart attackiert und als Lügner und Blender bezeichnet.

Die Opposition beschimpfte Griechenlands Premier Alexis Tsipras als Lügner und Blender. (Foto: Yorgos Karahalis/AP)

Griechische Medien haben ausgerechnet, dass die neuen indirekten Steuern jeden Bürger künftig etwa ein Monatsgehalt jährlich kosten werden, also gut 810 Euro (das Durchschnittsgehalt liegt bei 850 Euro). Neben den Steuererhöhungen wurde auch die Gründung eines neuen Privatisierungsfonds gebilligt, der unter der Kontrolle der internationalen Kreditgeber steht und staatseigene Firmen sowie Immobilien verkaufen soll. Selbst das Olympia-Stadion in Athen zählt dazu. Bereits Anfang des Monats hatte das griechische Parlament Rentenkürzungen und Einkommenssteuererhöhungen in Höhe von 3,6 Milliarden Euro gebilligt.

In Brüssel hieß es, dass nun eigentlich der Weg für eine Kreditauszahlung frei sei, gebe es nicht noch einen Knackpunkt zu lösen: Noch immer hat sich der Internationale Währungsfonds (IWF) nicht am laufenden Programm beteiligt, er fordert deutliche Schuldenerleichterungen. Einer vom IWF am Montag vorgelegten Analyse zufolge würde Griechenlands Schuldenlast ohne weitere Erleichterungen 174 Prozent des Bruttoinlandsproduktes bis 2020 erreichen. Im Jahr 2060 gingen in Griechenland fast 60 Prozent der Wirtschaftsleistung allein für den Schuldendienst drauf. Die Schuldenlast läge dann bei 260 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der IWF fordert deshalb, die Laufzeiten der Kredite deutlich zu verlängern sowie Zins und Tilgung weiter zu stunden. Der Zinssatz müsse bei 1,5 Prozent eingefroren werden. Ferner müsse Griechenland weiter sparen. "Das Rentensystem ist nicht bezahlbar und nicht nachhaltig", heißt es in der Analyse. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will aber keinesfalls den Bundestag um eine Änderung des verhandelten dritten Kreditprogramms bitten. Schäuble ist lediglich bereit, innerhalb der bestehenden Vereinbarungen kleinere Veränderungen vorzunehmen. Doch die reichen wiederum dem Währungsfonds nicht.

© SZ vom 24.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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