Hilfen für Griechenland:Hohle Bekenntnisse zu Europa

Europäische Gesinnung neigt dieser Tage dazu, sich vor dem Zeitgeist zu verstecken. Hans Magnus Enzensberger hat die Union als "sanftes Monster" beschrieben, das mit menschenfreundlichen Absichten das Leben der Bürger Europas diktiert. Jürgen Habermas hat das Schicksal der nationalen Parlamente beklagt, die andernorts getroffene Vorentscheidungen nur noch abnicken dürfen. Das Bundesverfassungsgericht hütet die Rechte des deutschen Souveräns und spricht dem Europaparlament ab, ein Parlament zu sein. Wen kann es da noch wundern, wenn zum Beispiel ein Alexander Dobrindt vor "mehr Europa" warnt. Sich diesem Misstrauen entgegenzustellen, erfordert Mut. Merkel hält es mehr mit der Tugend der Vorsicht.

Das Werk Europa bewahren

Für die Bundeskanzlerin folgt daraus, Stimmungen nicht offen zu bekämpfen, sondern sie, nun ja, aufzugreifen. Sie tut es, indem sie beim Frühlingsfest der CDU in Meschede sagt, dass es in einer Währungsunion nicht gehe, dass die einen ganz viel und die anderen ganz wenig Urlaub haben und zum Beispiel die Griechen früher in Rente gehen als die Deutschen. Abgesehen von ihrer sachlichen Fehlerhaftigkeit verstärken solche Äußerungen nur zweierlei: Das Misstrauen vieler Europäer gegen die Deutschen und das Misstrauen der Deutschen gegen Europa.

Entsprechend mies ist die Bilanz: Merkel scheitert daran, in Europa deutsche Forderungen durchzusetzen und es gelingt ihr nicht, die Deutschen für die Euro-Rettung zu gewinnen. Zu schlicht wäre es nun, die Kanzlerin an europäischen Vorvätern zu messen. Deren Aufgabe war es, das vereinte Europa auf den Trümmern zweier Weltkriege zu errichten. Der Generation Merkel fällt die unelegante Aufgabe zu, das Einigungswerk vor Zerstörung zu bewahren. Erschwert wird das durch Konstruktionsfehler, welche die Ahnen hinterlassen haben. Die Währungsunion ohne eine Wirtschaftsunion funktioniert nicht. Das erfordert, sich bereits während der Löscharbeiten Gedanken über die künftige Architektur zu machen. Aus der Perspektive merkelschen Krisenmanagements ist das eine absurde Forderung. Das ist das Problem.

In der Griechenland-Krise geht es der CDU-Vorsitzenden darum, sie zum politisch niedrigstmöglichen Preis zu meistern. Deshalb klingen Merkels Bekenntnisse zu Europa so hohl. Sie sind nur in die Vergangenheit gerichtet, bar jeder Vision für die Zukunft. Offen lässt sie, was für eine EU sie überhaupt erhalten möchte, vor allem, ob sie zu einer echten Wirtschaftsunion heranreifen darf. Der Chef der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, hat es in seiner Dankesrede für den Karlspreis gewagt, über einen europäischen Finanzminister zu sprechen. So weit müsste Merkel nicht gehen. Gut wäre aber zu wissen, wohin der Weg aus der Krise eigentlich führen soll. Dann wäre sie auch leichter zu managen.

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