Griechenland:Athener Kontaktpflege

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Ausgleichende Position in Athen: Bundesaußenminister Heiko Maas (rechts) in Athen mit seinem Kollegen Nikos Dendias. (Foto: Alkis Konstantinidis/Reuters)

Das südöstlichste Mitglied der EU will sich seiner Verbündeten versichern. Das hat zu tun mit der Politik der Türkei.

Von Tobias Zick, München

Der südöstliche Mitgliedsstaat der Europäischen Union ist seit einiger Zeit dabei, sich in allen Richtungen seiner Verbündeten zu versichern. Immer neue Anlässe dafür liefert das Verhalten der benachbarten Türkei. Griechenlands Präsidentin Katerina Sakellaropoulou wandte sich zuletzt etwa an Papst Franziskus und bat ihn um Beistand im Konflikt mit Ankara um den Status der Hagia Sophia. Die Umwandlung des historischen Bauwerks im heutigen Istanbul, einst das wichtigste Gotteshaus der christlich-orthodoxen Welt, vom Museum zur Moschee vertiefe den "Graben zwischen Kulturen und Religionen", sagte Sakellaropoulou am Montag; es war obendrein der 46. Jahrestag der türkischen Invasion Zyperns. Die Präsidentin appellierte an den Papst, er möge all seinen Einfluss auf die internationale Öffentlichkeit geltend machen, damit die Türkei ihre Entscheidung rückgängig mache.

Franziskus versicherte, er werde tun, was im Rahmen seiner Möglichkeiten stehe, lobte Griechenlands Anstrengungen zur Verbesserung der Lage von Flüchtlingen und sagte zu, im kommenden Jahr die Einladung der griechischen Regierung zu einem Besuch in Athen anzunehmen.

Zunächst aber kam weltlicher Besuch, in Gestalt von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD), der am Dienstag in Athen zunächst seinen griechischen Kollegen Nikos Dendias traf. Nach dem Termin sagte Maas: "Das Völkerrecht muss eingehalten werden." Fortschritte in der Beziehung zwischen EU und Türkei seien "nur dann möglich, wenn Ankara Provokationen im östlichen Mittelmeer unterlässt". Zugleich müsse man weiterhin einen ehrlichen und offenen Dialog mit der Türkei führen. Von weiteren Sanktionen gegen Ankara sprach Maas zunächst nicht. Damit bleibt Berlin bei seiner eher ausgleichenden Linie, verglichen etwa mit der französischen Regierung, die einen konfrontativeren Kurs im Umgang mit der Türkei befürwortet.

Ankaras Provokationen: Damit sind in erster Linie die Pläne gemeint, in griechischen Gewässern nach Erdgas zu bohren. Die türkische Regierung betrachtet das östliche Mittelmeer als ihr "blaues Vaterland" und definiert die Seegrenzen recht freihändig nach eigenem Gutdünken. So hatte sie im Herbst vergangenen Jahres mit der Regierung von Libyen, wo Ankara sich kräftig in den Bürgerkrieg einmischt, ein Abkommen geschlossen, das eine quer durchs Mittelmeer verlaufende Seegrenze beschreibt; so, als gäbe es dort nicht eine ganze Reihe griechischer Inseln.

Während der deutsche Außenminister am Dienstag in Athen weilte, meldete das griechische Militär, man sei in erhöhter Alarmbereitschaft, da die Türkei offenbar in den kommenden Tagen ein seismisches Forschungsschiff zu Erkundungen des Meeresbodens vor der griechischen Insel Kastellorizo schicken werde. Einem Bericht der Zeitung Kathimerini zufolge bereitet sich Athen seit Längerem auf eine Konfrontation im Mittelmeer vor; demnach plant das Verteidigungsministerium, die türkischen Schiffe notfalls mit Warnschüssen oder dem Durchtrennen von Kabeln von ihren Bohrungen abzuhalten.

Nach dem Termin mit Außenminister Dendias stand am Dienstag für Maas auch ein Treffen mit dem griechischen Premierminister Kyriakos Mitsotakis auf dem Programm. Dieser hatte zuvor auf dem EU-Sondergipfel in Brüssel um Beistand im Konflikt seines Landes mit der Türkei geworben. Über den am Montag geschlossenen Kompromiss der 27 EU-Staaten äußerte sich Mitsotakis zufrieden: Der neue europäische Hilfsfonds zur Bewältigung der Folgen der Corona-Krise sei auch ein "nationaler Erfolg" für Athen, das demnach mit 72 Milliarden Euro zur Stützung der eigenen Volkswirtschaft rechnen kann. Und als gälte es, letzte Zweifel auszuräumen, dass die Zeiten von Rettungspaketen, Austerität und Misstrauen im Verhältnis zu Deutschland und den anderen Europäern vorbei sind, fügte der Premier hinzu, man werde die Mittel sorgsam und zielgenau einsetzen: "Wir haben keine Absicht, das Geld mit der sorglosen Attitüde von Neureichen zu verteilen."

© SZ vom 22.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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