Görlitzer Kaufhaus-Investor Stöcker:Hoffnungsträger rechtsaußen

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  • Der Görlitzer Kaufhaus-Investor Winfried Stöcker verbietet ein Benefiz-Konzert zugunsten von Flüchtlingen in seinem Kaufhaus.
  • In einem Interview begründet er den Schritt damit, den "Missbrauch des Asylrechts nicht unterstützen" zu wollen und äußert fremdenfeindliche Parolen.
  • Bekannte Vertreter der Stadt sind empört über die Äußerungen. Der Oberbürgermeister von Görlitz, Siegfried Deinege, distanziert sich von den Positionen Stöckers.

Von Dorothea Grass

Görlitz, Innenstadt. Der interessierte Kulturbesucher kennt die einzigartige Bausubstanz der östlichsten Stadt Deutschlands, unmittelbar an der Grenze zu Polen. Der begeisterte Kinogänger erinnert sich an den Film "Grand Budapest Hotel" von Wes Anderson, in dem skurrile Gestalten in einem wunderschönen Hotel leben, das wie aus einer anderen Zeit erscheint.

Das Hotel ist das Görlitzer Warenhaus, ein Juwel der Stadt, das wieder renoviert wird, seit sich ein Investor aus dem Westen gefunden hat: Winfried Stöcker, Unternehmer und Arzt. Die Hoffnungen, die die Stadt in der Oberlausitz mit Stöcker verknüpft hat, sind nun allerdings dahin.

Vor zwei Tagen veröffentlichte die Sächsische Zeitung ein Interview mit dem bis dahin gefeierten Kaufhaus-Retter. Darin entpuppte sich der Medizinprofessor und Vorstandschef des weltweit agierenden Unternehmens Euroimmun als ein Mensch mit klarem Feindbild: den Ausländern.

Stöcker hatte sich dagegen gewehrt, dass ein Benefizkonzert zugunsten der in Görlitz untergebrachten Flüchtlinge in seinem Kaufhaus stattfindet. Im Interview, das das Blatt mit ihm per E-Mail führte, begründete er die Entscheidung damit, den "Missbrauch des Asylrechts nicht unterstützen" zu wollen. Würde es nach ihm gehen, so Stöcker, würde er "die reisefreudigen Afrikaner", die in Booten übers Mittelmeer ihren Weg nach Deutschland fänden, "sofort wieder nach Hause schicken."

Der Oberbürgermeister ist "entsetzt", viele Görlitzer wenden sich ab

Es ging noch weiter in dem Interview. Begriffe und Parolen, wie sie an manchem Stammtisch fallen, wurden zu Zitaten eines Mannes, der selbst Menschen aus anderen Ländern in seinem Unternehmen beschäftigt. So arbeiteten bei ihm beispielsweise "viele Türken", die zwar "klug" seien, die er aber trotzdem "am liebsten zurück in ihre Heimat schicken" würde. Und so weiter.

Auf der Homepage des Görlitzer Kaufhauses lässt Stöcker indes um interessierte Mieter werben - grenzenübergreifend. Als "Mittelpunkt einer aufstrebenden Region" profitiere die Stadt "vom Wegfall der Grenzkontrollen und Zollschranken" steht da zu lesen. Es werde "nicht lange dauern, bis halb Schlesien nach Görlitz kommt, um hier elegant einzukaufen", schließlich lege "die polnische Kundin" viel Wert auf "niveauvolle Produkte", sie sei "markenbewusst und zunehmend bereit und in der Lage, ihren qualitätsvollen Einkauf zu finanzieren".

Nach den Aussagen von Stöcker lesen sich die Zeilen wie profitorientierter Hohn. Görlitz steht unter Schock. Der Oberbürgermeister der Stadt, Siegfried Deinege, sagte gegenüber der Sächsischen Zeitung, er sei "entsetzt, dass in heutiger Zeit noch ein solches Vokabular benutzt werde." Wie er distanzieren sich viele bekannte Görlitzer von den Äußerungen des Kaufhaus-Investors.

Wolfgang Ipolt, Görlitzer Bischof, bescheinigte Stöcker in einem Brief einen "Mangel an Respekt". Stöcker könne nicht einerseits Menschen aus anderen Ländern als Arbeitskräfte einstellen und gleichzeitig fordern, sie sollten sich nicht in Deutschland "festsetzen". Darüber hinaus widerspricht der Bischof Stöckers Aussagen, die Nächstenliebe-Idee des Weihnachtsfests sei "Firlefanz" und ein "Märchen".

Die Initiative "Görlitzer Adventskalender" hat die Holzfiguren der lebensgroßen Krippe aus den Vitrinen des Görlitzer Kaufhauses entfernen lassen, auch andere Unterstützer des Kaufhauses und Weggefährten von Stöcker distanzierten sich. Selbst eine Spende des Kaufhaus-Investors für ein Kinderheim hat der Vorstand der Stiftung Diakonie-Sozialwerk Lausitz wieder zurückgegeben. Man sei selbstverständlich auf Unterstützung angewiesen, doch mit einer Spende setze man auch eine "inhaltliche Befürwortung unserer Bemühungen und Werte voraus". Die Positionen von Stöcker seien "menschenverachtend, zynisch und herablassend."

Das Benefizkonzert, das ursprünglich im Kaufhaus hätte stattfinden sollen, haben die Organisatoren kurzfristig für den heutigen Samstag auf den Görlitzer Weihnachtsmarkt verlegt. Parallel hat die Görlitzer Innenstadtgemeinde eine Adventsandacht in der Frauenkirche anberaumt. Titel: "Barmherzigkeit ist kein Märchen".

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