Gewalt gegen Polizisten:Unter der Haube

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Typ "POL-i-VEIL": Die Spuckschutzhaube der Bremer Polizei. (Foto: Ingo Wagner/dpa)

Sie werden getreten, geschlagen, auch angespuckt - ein besonderer Ausdruck der Verachtung. Doch die Polizisten wissen sich zu wehren.

Von Sophie Burfeind

Deutsche Polizisten zücken statt ihrer Pistole immer öfter etwas anderes: die Spuckschutzhaube. Eine Spuckschutzhaube ist leicht transparent und aus Baumwolle. Der Polizist trägt sie nicht selbst, sondern stülpt sie einer Person über den Kopf, wenn er befürchtet, von ihr bespuckt zu werden. Damit sie die Haube nicht abnehmen kann, legt er ihr Handschellen an. Wie viele Spuckattacken es pro Jahr auf deutsche Polizisten gibt, lässt sich nicht feststellen, weil diese Form der Beleidigung in der Statistik nur selten separat aufgeführt wird. Sicher ist aber, dass die Zahl der Fälle steigt: In Rheinland-Pfalz haben im vergangenen Jahr 83 Polizisten angegeben, bespuckt worden zu sein, in Bayern waren es 2014 sogar 104.

Viele Bundesländer setzen mittlerweile auf präventive Spuckschutzmaßnahmen. Die Bremer machten vor zwei Jahren den Anfang und führten die Hauben ein, es folgte Niedersachsen mit Spuckschutzmasken, vor einigen Wochen dann Schleswig-Holstein mit Hauben. Im Saarland sind Spuckschutzbrillen im Einsatz; in Berlin rüsten sich Polizisten mit Mundschutzmaske und Schutzbrille. Auch in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Bayern und Hessen sind Schutzausrüstungen geplant.

Diese Angriffe sind nur ein Aspekt der zunehmenden Gewalt gegen Polizisten: Sie werden außerdem auch häufiger getreten, geschlagen oder mit Waffen angegriffen. Die Attacken mit Speichel zeigen aber deutlich, wie es um die Beziehung zwischen manchen Bürgern und der Polizei steht: Der Respekt geht verloren. "Jemanden zu bespucken, ist Ausdruck von Verachtung", sagt Rüdiger Holecek, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP). "Die meisten Täter spucken, wenn sie nicht festgenommen oder durchsucht werden wollen", sagt er. Den Polizisten gehe es nun weniger darum, sich vor Erniedrigung zu schützen, als vor etwas anderem: Infektionskrankheiten. "Manche verkünden stolz, dass sie Aids, Tuberkulose oder Hepatitis C haben, bevor sie spucken." Auch wenn viele der Krankheiten nicht über den Speichel übertragen werden können - Angst haben die Polizisten trotzdem, sich angesteckt zu haben.

Bis ein Betroffener sicher weiß, ob er infiziert wurde, vergeht oft ein Jahr. So lange dauern die Untersuchungen - für die Beamten eine quälend lange Zeit. In Bremen gibt es deswegen seit dem vergangenen Mai ein Gesetz, wonach nun auch das Blut des Täters getestet werden darf. Der Anlass dafür: Ein an Hepatitis C erkrankter Drogenabhängiger hatte in einem Streifenwagen um sich gespuckt - sein Speichel landete im Mund einer jungen Polizistin.

Polizisten sind aber nicht die einzigen Opfer von Spuckattacken in Deutschland. Auch Mitarbeiter in Jobcentern, Bürgerämtern oder in Sozial- und Jugendämtern klagen über die ekligen Angriffe genauso wie Busfahrer. Hin und wieder wird auch auf offener Straße gespuckt, so wie vor einiger Zeit nahe Mainz: Da spuckte ein Autofahrer einem anderen ins offene Fenster, aus Schock fuhr dieser seinem Vordermann auf.

Nicht überall ist man übrigens überzeugt von den Spuckschutzhauben. In Thüringen entschied sich die Polizei im vergangenen Jahr gegen sie. "Es gab Argumente, dass die Würde des Menschen verletzt wird", sagt Jens Heidenfeldt von der Thüringer Polizei. Solange die Spuckattacken Einzelfälle blieben, werde es keine Baumwollhauben geben. "Man muss ja nicht gleich mit Kanonen auf Spatzen schießen."

© SZ vom 20.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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