Die Gesichtserkennung an deutschen Bahnhöfen und Flughäfen wird vorerst doch nicht eingeführt. Er habe noch einige Fragen, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Freitagmorgen am Rande eines Treffens der EU-Innenminister in Zagreb. "Die möchte ich abklären, und dann werden wir im parlamentarischen Raum entscheiden, wie wir damit weiter umgehen. Aber meine Einlassung zeigt Ihnen schon, dass wir uns um das Thema weiterhin kümmern."
In einer früheren Fassung des Entwurfs für das Bundespolizeigesetz hatte es noch geheißen, die Bundespolizei könne Daten aus Bildaufzeichnungsgeräten "automatisch mit biometrischen Daten abgleichen", sofern es sich um Daten von gesuchten Menschen handele. In der neuen Fassung ist davon nicht mehr die Rede. Ursprünglich hatte Seehofer angekündigt, Gesichtserkennung an 135 Bahnhöfen und 14 Flughäfen zu ermöglichen, die dem Ministerium zufolge als besonders gefährdet gelten.
Der Plan hatte viel Kritik hervorgerufen. Denn die Technologie ist nicht sehr verlässlich: Bei einem Pilotprojekt am Berliner Bahnhof Südkreuz, wo entsprechende Software getestet wurde, markierte das System viele Menschen fälschlicherweise als verdächtig. Der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Ulrich Kelber, hatte diese Woche vor dem Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie im öffentlichen Raum gewarnt. Es gehe dabei um "einen potenziell sehr weitgehenden Grundrechtseingriff". Er plädierte sogar dafür, in Europa die Gesichtserkennung im öffentlichen Raum zu verbieten.
Eine Firma in den USA bot jüngst drei Milliarden Fotos zum Datenabgleich an
Entsprechende Überlegungen gibt es auf EU-Ebene. Voraussichtlich am 19. Februar will die EU-Kommission in einem sogenannten "Weißbuch" Diskussionsansätze zur Regulierung von Anwendungen der künstlichen Intelligenz vorstellen. In einem frühen Entwurf, der der SZ vorliegt, wird ein Verbot von Gesichtserkennungsmaßnahmen im öffentlichen Raum diskutiert, und sei es auch erst einmal für einige Jahre.
In Deutschland haben sich diverse Gruppen, darunter die Organisation Digitale Gesellschaft und der Chaos Computer Club, zu dem Bündnis "Gesichtserkennung stoppen" zusammengeschlossen und fordern ein Verbot der Technik. "Das sind immer schwierige juristische und praktische Fragen" sagte Horst Seehofer am Freitag: "Das muss schon alles sehr sorgfältig gemacht werden."
Vergangenes Wochenende lieferte ein Bericht der New York Times neuen Diskussionsstoff: Eine US-Firma namens Clearview AI hatte eine Datenbank aus etwa drei Milliarden Bildern zusammengestellt, die frei im Internet zugänglich waren. Auf dieser Basis bot die Firma unter anderem diversen Behörden ein Programm zur Gesichtserkennung an.
Trotz der breiten Kritik an den Plänen ist der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg (CDU), unzufrieden mit der Neufassung des Bundespolizeigesetzes: "Die Bundespolizei sollte künftig in klar definierten Grenzen Kameras zur Gesichtserkennung einsetzen dürfen", sagte er. Schließlich gehe es bei dem Einsatz nicht um eine flächendeckende Überwachung der Bürger, sondern um "die gezielte Suche nach Schwerstkriminellen und Terroristen an besonders gefährdeten Bahnhöfen oder Flughäfen".