Gesetz gegen Rentenangst:Oskar, der Phantomkanzler

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Die besten Zeiten der Linkspartei sind vorbei - dachten Union und SPD. Es reichen Zweifel an der Rentensicherheit und schon haben sie wieder Angst vor Oskar.

Thorsten Denkler, Berlin

In den Umfragen stagniert die Linke, sie hat zur Finanz- und Wirtschaftskrise nicht mehr zu sagen, als dass sie es ja schon immer gesagt hat. Jetzt aber wollen die Menschen praktikable Lösungen, und die hat die Linke schlicht nicht im Angebot.

Oskar Lafontaine - seine Linkspartei hält die große Koalition auf Trab. (Foto: Foto: ddp)

Und dennoch: Mit dem Stichtag 6. Mai 2009, knapp fünf Monate vor der Bundestagswahl, regieren Oskar Lafontaine und seine Linkspartei in Deutschland voll mit.

Vergangene Woche ging es los. Da veröffentlichte das Handelsblatt Zahlen, nach denen es möglich erschien, dass die Renten im kommenden Jahr sinken könnten. Theoretisch. Wahrscheinlich nämlich ist das nicht. Dafür müsste trotz größter Wirtschaftskrise doch noch einiges mehr zusammenkommen.

In der Bundesregierung findet sich auch niemand, der ernsthaft Rentenkürzungen in Betracht zieht. Es hat überhaupt noch nie in der bundesrepublikanischen Vergangenheit eine faktische Rentenkürzung gegeben.

Ein Rentensicherungsgesetz soll nun verhindern, was nach menschlichem Ermessen nicht eintreten wird. An diesem Mittwoch soll es im Bundeskabinett verabschiedet werden.

Dem Gesetz fehlt jede sachliche Grundlage, was schon schlimm genug ist. Noch schlimmer ist, was die Koalitionäre überhaupt zu diesem Gesetz getrieben hat: Es ist die nackte Angst vor einem Renten-Wahlkampf der Linkspartei. Nur die nämlich wäre in der Lage, die Rentner mit einer Angst-Kampagne so zu versunsichern, wie es die große Koalition fürchtet. FDP und Grünen sind für so eine Kampagne glücklicherweise viel zu staatstragend.

Und so macht die große Koalition in vorauseilendem Gehorsam ein Gesetz zur Rentnerberuhigung, um einer Partei den Wind aus den Segeln zu nehmen, die schon jetzt Wasser unterm Bug verliert. Erschreckenderweise kommt hinzu, dass sich Lafontaine bisher noch gar nicht vernehmbar zu der Rentenfrage geäußert hat. Aber könnte. Das reicht offenbar schon, um den Gesetzgeber zu aktivieren. Oskar, der Phantomkanzler.

In der Koalition wird argumentiert, 20 Millionen verunsicherte Rentner seien das Letzte, was das Land in dieser schweren Wirtschaftskrise brauchen kann. Ehrlicherweise müssten die Koalitionäre sagen: 20 Millionen von der Linken verunsicherte Rentner sind das Letzte, was SPD und Union kurz vor der Bundestagswahl brauchen können. Das Rentensicherungsgesetz ist je nach Wahl nicht mehr als ein Linksparteiverhinderungs-, ein Volksparteienberuhigungs- oder auch ein Wahlsiegsicherungsgesetz.

Verantwortungslos wäre sicher, der möglichen Verunsicherung nicht mit guten Argumenten zu begegnen. Diese Argumente hätte die Regierung sogar. Noch verantwortungsloser aber ist es, ein mögliches Wahlkampfthema kurzerhand per Gesetz abzuwürgen.

Maßstab für folgenlose Gesetze

Das Vorgehen führt politisches Handeln ad absurdum. Wenn die befürchtete Verunsicherung großer Bevölkerungsteile kurz vor einer Bundestagswahl der Maßstab für folgenlose Gesetze ist, dann können auch gleich Gesetze beschlossen werden gegen die Angst vor Jobverlust, gegen die Angst, keinen Partner zu finden oder gegen die bundesweit ebenfalls recht weit verbreitete Angst, dass Bayern München doch noch Meister wird.

Das Rentengesetz könnte auch einen brandgefährlichen Beitrag zur Verunsicherung leisten. Denn entweder kann eine Rentenkürzung ausgeschlossen werden und es braucht kein Gesetz. Oder sie kann eben nicht ausgeschlossen werden - und dann wird wohl irgendjemand dafür bezahlen müssen.

Das werden nach Adam Ries unter anderem jene Millionen von Kurzarbeitern sein, die jetzt in größter Sorge leben, dass die Krise sie in der zweiten Jahreshälfte voll erwischt.

Wer in Deutschland Angst vor sozialen Unruhen hat, der sollte eines nicht vergessen: Rentner machen vielleicht ihr Kreuz an einer Stelle, die CDU und SPD nicht passt. Aber sie sind es in der Regel nicht, die am Ende mit Gehstock bewaffnet auf die Straße gehen.

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