Geschichte:"Eure Probleme sind unsere Probleme"

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Die konservativen Politiker Margaret Thatcher und Ronald Reagan verstanden sich prächtig - und zelebrierten dies auch. Hier 1987 bei einem Treffen im Weißen Haus. (Foto: Mike Sargent/AFP)

Amerikaner und Briten verbindet viel: gemeinsam geführte Kriege, Spionage und Politiker-Freundschaften.

Von Reymer Klüver

Eigentlich hätte alles so sein sollen wie früher. Wie im Januar vergangenen Jahres. Da eilte Britanniens Premierministerin nur wenige Tage nach dem Amtsantritt Donald Trumps ins Weiße Haus. Die sonst eher spröde Frau ließ sich strahlend, gar händchenhaltend mit dem neuen US-Präsidenten fotografieren. Und kurzzeitig sah es so aus, als könnte wiederhergestellt werden, was in den Jahren zuvor ein wenig in Vergessenheit geraten zu sein schien: die viel beschworene "besondere Beziehung" zwischen den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich, das enge Band zwischen der zur Weltmacht aufgestiegenen früheren Kolonie und dem einstigen Mutterland, ein Seelenbund, der die Freundschaft verbündeter Nationen bei Weitem übersteigt. Spontan bat Theresa May den neuen Freund zum Tee bei der Queen. Eine Einladung, die sie mittlerweile sicherlich mehr als einmal gerne rückgängig gemacht hätte ( siehe Bericht oben).

Denn besonders an der Beziehung ist im Moment eher der Umstand, dass Amerikas Präsident sie als Lizenz begreift, sich ungeniert in die britische Politik einzumischen. So forderte er die Premierministerin vergangenen Herbst per Tweet auf, sich gefälligst mehr auf den Kampf gegen den Terror zu konzentrieren. So dürfte sich May die von ihr sogenannte neue besondere Beziehung kaum vorgestellt haben.

Tatsächlich ist die enge Liaison zwischen London und Washington ein Produkt des Zweiten Weltkriegs. Der damalige US-Präsident Franklin D. Roosevelt suchte das Bündnis mit den Briten, weil er glaubte, nur so die demokratische Ordnung der Vereinigten Staaten gegen ein drohendes Bündnis autoritärer Regimes rund um den Globus, von Hitler-Deutschland über die Sowjetunion bis hin nach Japan, verteidigen zu können. Hinzu kam, dass er sich mit dem britischen Kriegspremier Winston Churchill bei dem ein oder anderen Drink auch persönlich bestens verstand. Sie trafen sich zwischen 1939 und 1945 elf Mal und schrieben einander nicht weniger als 1700 Briefe und Telegramme. Angeblich überraschte Roosevelt seinen Gast Churchill bei einem der Besuche im Weißen Haus unter der Dusche. Peinlich berührt wollte der Amerikaner sich zurückziehen, worauf der schlagfertige Churchill sagte, dass ein britischer Premier vor dem US-Präsidenten nichts zu verheimlichen habe.

Es war auch Churchill, der den Begriff von der "special relationship", der besonderen Beziehung beider Länder, so nachhaltig prägte, dass er Jahrzehnte später noch als politischer Schlachtruf reaktiviert werden konnte. Denn keineswegs blieben die Verbindungen zwischen den Chefs in Downing Street und Weißem Haus immer so eng. Dwight Eisenhower etwa, der die Briten als Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte im Kampf gegen Nazi-Deutschland kennenlernte, hatte später als Präsident ein eher distanziertes Verhältnis zu seinen Londoner Gegenparts. Auch als Harold Wilson trotz Bitten der Amerikaner in den 1960er-Jahren keine britischen Soldaten nach Vietnam schickte, war das Verhältnis unterkühlt. Und Edward Heath, Premier in den 1970er-Jahren, sprach davon, dass das Wort von der besonderen Beziehung nicht zu seinem Vokabular zähle.

Erst Ronald Reagan und Margaret Thatcher entdeckten wieder die anglo-amerikanische Seelenverwandtschaft - ein Bündnis konservativer Geister. Selbst wenn die als "Eiserne Lady" bekannte Premierministerin den Präsidenten am Telefon wegen angeblicher politischer Fehler rügte, raunte Reagan seinen Beratern augenzwinkernd zu: "Ist sie nicht wunderbar?" Thatcher sagte bei ihrem ersten Besuch Reagans: "Eure Probleme sind unsere Probleme, und wenn ihr nach Freunden Ausschau haltet, werden wir da sein." Es waren dann eher die Briten, die Unterstützung suchten, 1982 im Krieg gegen die Argentinier um die Falklandinseln - und die sie auch bekamen. Die Informationen der US-Geheimdienste dürften entscheidend zum Sieg der Briten beigetragen haben.

Tatsächlich ruhen die engen Beziehungen beider Länder auf einem Fundament, wie es sonst kaum zu finden ist im Verhältnis zweier Nationen. So betreiben Amerikaner und Briten gemeinsam Stützpunkte in Diego Garcia im Indischen Ozean und auf Ascension Island im Atlantik. Die Geheimdienste beider Länder bilden (zusammen mit den Diensten Australiens, Neuseelands und Kanadas) den exklusiven Spionage-Klub der sogenannten Five Eyes: Die Agenten arbeiten so eng zusammen wie mit keinen anderen Kollegen verbündeter Staaten. Selbst wirtschaftlich sind die Verflechtungen bedeutend. Britische Unternehmen sind noch immer mit Abstand die größten ausländischen Investoren in den USA, und umgekehrt sind es auch amerikanische Konzerne in Großbritannien.

Doch am Ende war es immer die persönliche Nähe, die die Beziehungen beider Länder besonders machte - und es waren Kriege. Zuletzt war es so bei George W. Bush und Tony Blair, nach den Terrorattacken vom 11. September 2001. Blair flog sofort nach Washington und sagte, dass Briten und Amerikaner fortan "Schulter an Schulter" ständen; und Bush erklärte gerührt, dass die USA "keinen besseren Freund als Großbritannien" hätten. Blair stand auch zu seinem Kumpel, als der seine Truppen in den Irak einmarschieren ließ - was dem Premier den zweifelhaften Ruf einbrachte, der "Pudel" des Präsidenten zu sein. So etwas, immerhin, ist Theresa May bisher erspart geblieben.

© SZ vom 14.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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