Genehmigung:Stunde der Kontrolleure

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Die europäische Bankenaufsicht müsste einen Zusammenschluss von Deutscher Bank und Commerzbank prüfen. Dabei entscheiden die Gewinnaussichten des neuen Instituts, aber nicht nur die.

Von Markus Zydra

Menschen sollten aus Schaden klug werden, doch es gibt einen Bereich menschlichen Handelns, in dem man sich sehr schwer tut, die richtigen Lehren aus der Geschichte zu ziehen. Der Ökonom John Kenneth Galbraith, der in seiner akademischen Laufbahn viel Kluges zu den Ursachen von Finanzkrisen geschrieben hat, attestiert der "Welt des Geldes" genau diesen Hang zur Selbstgefälligkeit. Dort interpretiere man die Erfahrungen aus der Vergangenheit als mangelnde Einsicht "in die Wunder der Gegenwart".

Man kann die mögliche Fusion von Deutsche Bank und Commerzbank in diesem Licht betrachten. Eine der wichtigsten Lehren aus der globalen Finanzkrise 2008 war es, dass die Pleite einer Großbank die ganze Welt in den Abgrund reißen kann. Dann nämlich, wenn die Bank mit ihren Tentakeln einer Qualle gleich die untersten Schichten des globalen Finanzsystems erfasst hat und am Ende niemand weiß, wann diese Verästelungen toxisch wirken. So kam es 2008 zur katastrophalen Pleite von Lehman Brothers, in deren Folge die Bankenaufsichtsregeln weltweit verschärft worden sind. Banken, so lautete das Mantra in den folgenden Jahren, sollten eher kleiner als größer und eher übersichtlicher als komplexer werden.

Der Fusionsplan von Commerzbank und Deutsche Bank missachtet diese Maxime. In Europa gibt es inzwischen wieder Finanzprofis, die in einer Großbank eher Chancen denn Risiken sehen. Man erlebt eine intellektuelle Kehrtwende, auch weil Banken und Politik von einer neuen Führungselite beherrscht werden. Die können sich an die Finanzkrise vielleicht noch gut erinnern; sie mussten die Notlage damals aber nicht in verantwortlicher Position managen.

In dieser veränderten Lage schlägt die Stunde der Kontrolleure. Die europäische Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank (EZB) überwacht seit 2014 die 115 wichtigsten Banken der Eurozone. Sie entscheidet über die Genehmigung der Fusion. Die Meinungen darüber, ob der Zusammenschluss geboten oder verboten ist, gehen auseinander, sowohl in der EZB, als auch bei der Bundesbank und der deutschen Finanzaufsichtsbehörde Bafin. Die Vorbehalte kreisen weniger um die gefährliche Größe des neuen Instituts. Denn die Deutsche Bank allein gilt schon als groß genug, um im Falle einer Krise systemgefährdend zu sein.

Die Aufseher wollen vor allem wissen, ob sich die Fusion rechnen würde. Taugt der Geschäftsplan? Macht das neue Großinstitut Gewinne? Hat die Aufsicht genug Vertrauen in die Chefetagen der beiden Banken? Denn die Realität im Geschäftsleben folgt selten irgendwelchen Plänen. Können die Chefs das wirklich durchziehen? Noch immer gelten Commerzbank und Deutsche Bank als kränkelnde Kreditinstitute, die am Tropf hängen. Die entscheidende Frage ist somit: Werden die Banken wieder gesund, wenn sie zusammen auf einer Station liegen? Oder stecken sie sich an? Wie ist das mit der Firmenkultur? Blaue (Deutsche Bank) und Gelbe (Commerzbank) vertrugen sich nie. Wie können Vorbehalte abgebaut werden? Auch bei dieser Frage muss die Aufsicht ein Gespür dafür entwickeln, ob die Pläne des Managements Unwägbarkeiten, die es bei der jeder Fusion gibt, angemessen berücksichtigt.

In den nächsten Wochen stehen intensive Gespräche an. Die Banken werden der Aufsicht ihre Ideen und Pläne vorlegen. Es entsteht eine Art Verhandlungssituation, in der die Kontrolleure Vorschläge der Banken selten rundweg ablehnen. Die Behörde steuert indirekt; zum Beispiel, wenn ihr ein Vorschlag zur Fusion nicht gefällt, dann teilt sie mit: "Schön und gut, aber dann braucht ihr mehr Eigenkapital, habt ihr eigentlich daran gedacht?" So gibt die EZB den Instituten Fingerzeige, und die Banken erkennen, wo die Aufsicht die rote Linie zieht.

Die Gründung der EZB-Bankenaufsicht im Jahr 2014 ist ein Beleg dafür, dass Europas Politik aus der Finanzkrise etwas gelernt hat. Früher kontrollierte in jedem Euro-Staat eine nationale Aufsichtsbehörde die Banken des eigenen Landes. Die Ereignisse des Jahres 2007/2008 zeigten, dass diese Behörden zu häufig die Risiken des Bankensektors unterschätzt hatten, meist auch auf Druck der eigenen Regierungen. Dadurch konnten unrentable Großbanken entstehen, die eine Gefahr für das Finanzsystem waren.

Mit der EZB-Bankenaufsicht gibt es nun ein zentrales Aufsichtsgremium, das die politische Einflussnahme aufgrund der einheitlichen Regeln zumindest erschwert. Im EZB-Aufsichtsgremium sitzen Behördenvertreter aus den 19 Eurostaaten, die sich zusammenraufen müssen - auch das eine Art Fusion, wenn man so will. Die ersten fünf Jahre der Behörde gelten als erfolgreiche Zeit. Die EZB hat inzwischen einen guten Überblick über die Risiken im europäischen Bankensystem. Ihr neuer Chef, der Italiener Andrea Enria, hat die umstrittene Fusionsidee der deutschen Großbanken nun auf dem Tisch.

Es ist eine delikate Entscheidung, die der Behörde ein Reputationsrisiko einbringen könnte. Dann nämlich, wenn sie die Fusion genehmigt und die Großbank später in Schwierigkeiten geraten sollte. Dann käme schnell die Frage nach der Schuld auf. Viele würden sich erinnern daran, dass die EZB das Geschäft doch gebilligt habe. Der Ruf der Behörde wäre beschädigt, auch wenn sie keine Schuld trüge. Grundsätzlich kann jede Bankenfusion scheitern, sogar wenn die beteiligten Institute zum Zeitpunkt des Geschäfts betriebswirtschaftlich kerngesund waren. Doch die Commerzbank und die Deutsche Bank sind derzeit nicht einmal das.

© SZ vom 19.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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