Geheimdienste:Grenzenlose Groteske

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Irritationen hat der Fall auch in der Hauptstadt Bern und bei den Abgeordneten ausgelöst. Im Bild das Bundeshaus, das Parlament der Eidgenossen. (Foto: Peter Schneider/dpa)

Der mutmaßliche Schweizer Spion Daniel M. bleibt in Haft. Es geht um die Frage, ob der 54-Jährige dabei half, hierzulande deutsche Steuerfahnder auszuspionieren.

Von Lena Kampf und Hans Leyendecker, München

Der mutmaßliche Schweizer Spion Daniel M. kommt - vorläufig jedenfalls - nicht aus der Untersuchungshaft frei. Dies ist das Ergebnis eines Haftprüfungstermins am Mittwoch beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs. Das Gericht will noch Zeugen hören. Denn bei dem Haftprüfungstermin stand gewissermaßen Aussage gegen Aussage: Daniel M. (neu) gegen Daniel M (alt). Der 54-Jährige erklärte nämlich, er habe in der Vergangenheit über seine Rolle, die er beim Nachrichtendienst des Bundes (NDB), wie der Schweizer Geheimdienst heißt, nicht die Wahrheit gesagt.

Gegenüber den obersten Schweizer Strafverfolgern hatte Daniel M. im Jahr 2015 behauptet, er habe im Auftrag des NDB deutsche Steuerfahnder ausspioniert. Er wollte sogar dabei geholfen haben, einen Maulwurf in der Finanzverwaltung von Nordrhein-Westfalen zu platzieren. Jetzt sagte er jedoch, er habe "keinen Auftrag erhalten", eine Quelle in der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung "zu installieren". Was er zuvor gesagt habe, sei gelogen gewesen - allein aus praktischen Gründen sei das nicht möglich gewesen. Eine Geheimdienst-Groteske.

Auch in der Schweiz läuft ein Strafverfahren gegen Daniel M.

Gegen den Mann läuft unterdessen auch in der Schweiz ein Strafverfahren. Angeblich wollte er mithilfe seiner früheren Aussagen Verbündete finden. Die Schweizer Ermittler werfen ihm vor, im Auftrag deutscher Kunden Schweizer Konten ausgeforscht zu haben. Das ist in der Schweiz ein sehr schwerwiegender Vorwurf. Deshalb, so erklärte er jetzt, habe er die Agenten-Geschichte eben recht blumig erzählt - offenbar in der Hoffnung, dass sich der Geheimdienst NDB dann für ihn einsetzen würde.

Auf Umwegen war die Karlsruher Bundesanwaltschaft an die Aussagen von Daniel M. gelangt. Seine alten Aussagen, die, wie er jetzt sagt, falsch gewesen sein sollen, hatten die Ermittlungen der Karlsruher Bundesanwaltschaft wegen Spionageverdachts gegen Daniel M. ausgelöst. Den Haftbefehl hatte der Bundesgerichtshof bereits im Dezember 2016 erlassen. Ende April dieses Jahres wurde Daniel M. dann in einem Frankfurter Hotel festgenommen und kam in Untersuchungshaft. Ihm wird Agententätigkeit für eine fremde Macht vorgeworfen.

Der irrlichternde Fall, der jetzt eine neue Wendung fand, changiert schon eine ganze Weile zwischen Posse und Skandal - und der rätselhafte Agent wirkt auf einige schon länger wie ein Hochstapler. In der Welt der Dienste gibt es viele bizarre Figuren, aber dass ein freier Mitarbeiter eines Geheimdienstes wie Daniel M. sich in der Not wichtig macht, um sich selbst aus einer unangenehmen Lage zu befreien - das hat es schon öfters gegeben. "Die nachrichtendienstliche Arbeit ist kein Streichelzoo", dieses Bild hat der derzeitige NDB-Chef Markus Seiler für die Spionageabwehr seines Dienstes gefunden.

Obwohl Daniel M., ein früherer Polizist und Sicherheitsberater, sich jetzt nicht gerade als neuer James Bond herausstellt, ist der Vorgang gleichwohl politisch brisant. Der Fall löste zwischen Deutschland und der Schweiz Verstimmungen aus. Denn es steht weiterhin außer Frage, dass der Schweizer Geheimdienst ihn als Agenten eingesetzt hatte, um mehr über deutsche Steuerfahnder zu erfahren. Daniel M. wurde sogar von Schweizer Nachrichtendienstlern auf diesen Auftrag vorbereitet. Er sollte offenbar so viel wie möglich über jene Steuerfahnder in Nordrhein-Westfalen herausbekommen, die im Jahr 2010 damit anfingen, mithilfe von Kundendaten Schweizer Banken deutsche Steuerbetrüger zu überführen. Die Daten fanden sich auf Steuer-CDs, die Nordrhein-Westfalen gekauft hatte und die dann von den Steuerfahndungsstellen ausgewertet wurden. Dies führte zu Steuer- und Strafzahlungen in erheblicher Milliardenhöhe. Gegen drei deutsche Steuerfahnder erließ die Schweiz im Gegenzug Haftbefehle wegen angeblicher Gehilfenschaft zum wirtschaftlichen Nachrichtendienst.

Die neue Aussage von Daniel M. wird aus Schweizer Geheimdienstkreisen bestätigt. Dort heißt es, M. sei nicht beauftragt worden, eine Quelle in der Finanzverwaltung von Nordrhein-Westfalen zu platzieren. Die Verteidiger von Daniel M. haben beantragt, als Entlastungszeugen den stellvertretenden Leiter des NDB sowie den Bundesanwalt Carlo Buletti und einen Bekannten von Daniel M., Klaus-Dieter M., zu hören. Das Karlsruher Gericht wird sich jetzt mit diesen Anträgen näher befassen.

© SZ vom 22.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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