Gedenken an Opfer von rechtem Terror:Ein Land schweigt - auch online?

Lesezeit: 1 min

Betriebe, Busse, Bahnen werden heute um 12 Uhr stillstehen, um in einer Schweigeminute der Opfer der Zwickauer Neonazi-Zelle zu gedenken. Doch nicht nur in der realen Welt sollen die Menschen schweigen - auch online gibt es Aufrufe, Twitter und Facebook ruhen zu lassen.

Hannah Beitzer

Die Stadt Erlangen macht mit, die Stadtwerke Osnabrück, der NDR hört auf zu senden, in Berlin stehen die Busse und Bahnen still, die deutschen Parlamente sowieso - immer mehr Unternehmen, Medien und öffentlichen Einrichtung kündigen an, für die Opfer der Zwickauer Terrorzelle um 12 Uhr eine Minute zu schweigen: Ganz Deutschland, so der Eindruck, will sich betroffen zeigen, den Opfern so den Respekt erweisen, der ihnen so lange verwehrt blieb.

Aber nicht nur die reale Welt soll heute für einen Moment innehalten - auch auf Twitter und Facebook, wo normalerweiße keine Sekunde vergeht, ohne dass Tausende neue Meinungsäußerungen, Statusmeldungen oder Videos veröffentlicht werden, könnte es etwas ruhiger werden: Es gibt erste, wenn auch zögerliche Aufrufe, auch im Netz der Opfer zu Gedenken. "Wird eine Schweigeminute auf Twitter und Facebook funktionieren? Heute um 12 Uhr?" twitterte Johnny Haeusler, Gründer des bekannten Blogs Spreeblick.

Konsequent wäre es, schließlich gehört die Kommunikation im virtuellen Raum für viele Menschen bereits selbstverständlich zum Alltag. Unter dem Hashtag #Schweigeminute verkünden gerade immer mehr Menschen, auch online schweigen zu wollen. Doch es wird auch Kritik laut: "Genau eine Minute wird der Opfer gedacht und danach geht es weiter wie immer: Die Ausländer müssen raus", heißt es da an die Union und die FDP gerichtet, und: "#schweigeminute bei #twitter ist Quatsch. Wer wird für eine Minute die #bots stoppen? Ihr doch nicht!". Oder auch: "Warum heute Mittag #Schweigeminute und nicht #Gedenkminute? Weil Stillhalten gewünscht ist und nicht denken!".

Ursprünglich hatte unter anderem der Deutsche Gewerkschaftsbund zu der bundesweiten Schweigeminute aufgerufen. "Wir alle setzen damit ein Zeichen für eine offene und zu ihrer eigenen Vielfalt stehenden Gesellschaft", sagte DGB-Chef Michael Sommer. Um 12 Uhr sollten die Bürger für 60 Sekunden "ihre Arbeit innehalten, ihre Tätigkeit unterbrechen und demonstrieren, dass Fremdenhass, Rassismus und Antisemitismus in Deutschland nicht geduldet werden".

© Süddeutsche.de/beitz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: