Gastronomie:Was für eine Knolle

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Das italienische Trüffel-Geschäft hielt sich für unverwundar, doch nun leidet es unter der Pandemie.

Von Oliver Meiler, Rom

Jetzt auch noch die Trüffel, die Königin unter den Pilzen, Herrscherin der Tafeln gerade an Festtagen. Ihr Preis ist wegen Corona um ein Drittel eingebrochen. Der Genießer freut sich. In Italien aber hielt man die Trüffel für krisenresistent. Nun, sogar der weiße "Tartufo" aus dem piemontesischen Alba, so etwas wie die Königin unter den Königinnen, geht in diesen Tagen für weniger als 2000 Euro pro Kilogramm weg. Das ist immer noch verrückt teuer. Doch wenn man sich als Trüffelsucher, als Händler von Trüffeln, als Hersteller von Trüffelöl und Trüffelwurst, als Koch von Gerichten mit Trüffeln oder als Trainer von Trüffelhunden an noch viel höhere Preise gewöhnt hat, ist jeder Zerfall eine mittlere Katastrophe. Die gesamte, verwöhnte Businesskette leidet.

Die Gründe liegen auf der Hand. Wegen der Pandemie sind viele Restaurants geschlossen, überall in Europa. Vermögende Touristen aus dem Ausland bleiben aus. Die 90. Ausgabe der alljährlichen Trüffelmesse, eines Festival des Pilzes samt Auktion, war halb verwaist. Immerhin: Ein mysteriöser Bieter aus Hongkong ersteigerte für 100 000 Euro einen Prachtpilz von fast einem Kilo, am Telefon. So gab es wieder Schlagzeilen.

Größere Exemplare, auch das ist eine sonderbare Eigenheit im Geschäft, bringen mehr ein. Die Menschen haben sich irgendwann einreden lassen, dass große Knollen köstlicher schmeckten als kleine. Das stimmt natürlich nicht, aber der Mythos lebt. Die Trüffel (oder der Trüffel, wie es der Duden auch erlaubt) ist überhaupt Geschmacksache. Für ihre Liebhaber passt sie zu allem, ungekocht und als kleines Häufchen fein geraffelter Scheiben, einer sogenannten "grattata". Jedem gewöhnlichen Gericht verleiht der Pilz diesen Hauch Exklusivität, und sei es nur im Kopf: Risotto, Pasta, Fleisch, auch Fisch. Gerät die Flockenmenge zu üppig, schmeckt man nur noch den Pilz, von nussig fein bis feuchterdig, je nach Qualität.

Es gibt die Trüffel an vielen Orten auf der Welt. Aber die aus Alba gilt als Goldstandard, seit ein gewisser Giacomo Morra (1889 bis 1963), Hotel- und Restaurantbesitzer, sie vor bald neunzig Jahren mit einer Marketingidee zum globalen Prestigepilz erhob. Morra schickte Päckchen an berühmte Politiker und an Größen aus Hollywood, an den Papst und an Gianni Agnelli von Fiat, und zählte auf die Strahlkraft der Bilder der Herrschaften mit den Knollen aus Alba. Die Kleinstadt wurde weltbekannt. Und da auch der Rotwein Barolo und die Familie Ferrero von Nutella von dort kommen, ist die Provinz Cuneo zu einer der wohlhabendsten Italiens geworden. Dank des Genusses und des ganzen Zaubers drum herum.

Wäre dies ein guter Jahrgang, würde der Preis der Trüffel jetzt vollends zerfallen. Doch im Frühling hat es kaum geregnet, im Herbst blieb es lange warm, das sind keine idealen Voraussetzungen. Das Angebot ist also knapp, die Nachfrage flau - außer aus China, Japan und Dubai. Und diese Bestellungen aus dem Osten retten den Mythos einigermaßen ins neue Jahr, von dem man hoffentlich annehmen darf, dass es insgesamt besser wird als das alte. Im Frühjahr entscheidet die Unesco, ob sie die Trüffel und die ganze Kultur dazu - auf Antrag der Italiener - ins Weltkulturerbe aufnimmt. Eine üppige "grattata" darauf!

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