Gastronomie:Einmal Sternekoch

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Ochsenbäckchen, Austern und "Powerbrösel": Gourmetrestaurants verschicken Menüs zum Selberkochen an Feinschmecker. Ein leckerer Lockdown-Gag oder gar ein neuer Food-Trend?

Von Titus Arnu

Ausgehen ist zurzeit schwierig. Die Frage ist nicht, wohin, sondern höchstens, wovon man ausgehen kann. Fast alle Restaurants haben geschlossen, und wenn man derzeit ausgehen kann, dann leider nur davon, dass dies auch noch eine Weile so bleibt. Wenigstens ist es möglich, das Sternelokal zu Hause zu simulieren - mit Hilfe von Do-it-yourself-Sets.

Kochboxen hatten bis vor einem Jahr keinen besonders guten Ruf, weil man sich bei den meisten Anbietern auf Abomodelle festlegen muss und haufenweise Verpackungsmüll geschickt bekommt. Seit dem ersten Lockdown im Frühjahr wird so viel gekocht wie nie, Lieferdienste wie Hellofresh, Kochhaus oder Marley Spoon boomen. Die Aktie von Hellofresh schoss im Sommer in die Höhe wie ein Soufflé im zu heißen Ofen. Auch Sterneköche wollen nun etwas abhaben vom Kuchen und packen fleißig Essenspakete.

Das "Roast Duck"-Paket kostet 475 US-Dollar

Die New York Times hat die Do-it-yourself-Sterneküche gerade zum Food-Trend Nummer eins des Jahres 2021 ausgerufen. Aus der Not heraus bieten Chefköche wie Daniel Humm vom "Eleven Madison Park" in New York, einem der weltweit besten Restaurants, edle Bausätze für den ambitionierten Herd-Heimwerker an. Das exklusive "Roast Duck"-Paket kostet 475 US-Dollar und enthält Foie gras, schwarze Trüffel, Austern, Ente, Gewürzmischungen, Saucen und eine Anleitung, wie die Entenbrust fachgerecht zu rösten sei.

"Profi-Kochkünste sind nicht notwendig", verspricht der bayerische Gastronom Alexander Herrmann, der im Frühjahr mit dem Versand von Gourmet-Boxen begonnen und dafür die Plattform Starchefbox.com gegründet hat. Der Zwei-Sterne-Koch stellt wöchentlich Menüs zusammen, die von seinem Küchenteam in Wirsberg vorgekocht, vakuumiert und deutschlandweit verschickt werden. Zur Finalisierung zu Hause sind nur wenige Handgriffe nötig. Die aktuelle Speisefolge klingt delikat: confierte Garnelen, gebratener Romanasalat, Chateaubriand mit Barolojus, Pinienkern-Lauch und Olivenkartoffeln, Piemonteser Haselnusskuchen.

Tim Mälzer hat seine "Bullerei" in Hamburg komplett umgebaut, musste die Eröffnung wegen des Lockdowns aber verschieben. Der Versandhandel läuft indes so gut, dass die Räumlichkeiten seines Lokals nicht mehr ausreichen. Um genügend "Bäm-Boxen" packen zu können, zog sein Team kurzfristig in die Messehalle um. Mälzer verschickt Sets zum fachgerechten Zubereiten von Fleischfondue, Roastbeef und Ente, beigelegt sind Spezialitäten wie "Powerbrösel", "Tims Bolo" und hausgemachter Eierlikör.

Apropos hausgemacht: Wäre es nicht einfacher, sich Kochbuch und Zutaten zu kaufen und die Gerichte selbst zu brutzeln? Wer bei Sternekoch Anthony Sarpong aus Meerbusch eine Box bestellt, kann immerhin aussuchen, ob er sich die Ochsenbäckchen vorgekocht liefern lässt oder sie nach Anleitung zwölf Stunden lang schmort. Aber fehlt nicht trotzdem etwas - die Atmosphäre? Auch daran haben manche Versandköche gedacht. Wer sich zu Hause ein vegetarisches Vier-Gänge-Menü vom hippen Berliner Restaurant Cookies Cream gönnt, bekommt einen Link zu einer Playlist, appetitlich zusammengestellt von Cookies-DJs.

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