Gastredner im Bundestag:Wenn Revolutionäre und Kriegsherren predigen

Mit Papst Bendedikt XVI. spricht erstmals ein Kirchenoberhaupt vor dem Deutschen Bundestag. Bisher ist diese Ehre vor allem ausländischen Gästen zuteil geworden - und auch da war nicht jeder Redner willkommen. Eine Auswahl.

Marie Zahout

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(Foto: picture-alliance / dpa)

Gastredner im Bundestag - diese Ehre wird meist ausländischen Staatsoberhäuptern oder Rednern zu besonderen Gedenktagen zuteil. Eine Verpflichtung, auch Nichtparlamentariern ein Rederecht zu gewähren gibt es im Bundestag nicht. Der Papst soll am 22. September im Bundestag sprechen - und der Auftritt sorgt schon im Vorfeld für Wirbel, etwa 100 Parlamentarier wollen der Rede fern bleiben. Dabei soll Benedikt XVI. in seiner Funktion als Staatsoberhaupt sprechen - nämlich des Vatikanstaats. Viele Abgeordnete sehen seinen Auftritt dennoch kritisch, denn sie sehen die Trennung von Staat und Kirche nicht gewährleistet. Anders die Situation am 22. Mai 1996, als der südafrikanische Präsident Nelson Mandela eine Rede im Bundestag hielt, der zu diesem Zeitpunkt noch seinen Sitz in Bonn hatte. Außer den mehr als sechshundert Abgeordneten war an diesem Tag fast die gesamte Bonner Politprominenz versammelt. Mandela sprach von der Apartheit in seinem Land und bat Deutschland und die anderen Industriestaaten um Hilfe für Südafrika. Bundespräsident Roman Herzog und Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth würdigten den Gast als "Kämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit".

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Zum Gedenken an den 10. Jahrestag des Mauerfalls kamen gleich mehrere Gastredner zu Wort: Am 9. November 1999 folgten der Einladung von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (Mitte) der damalige Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde Joachim Gauck (von links), der ehemalige amerikanische Präsident George H. W. Bush, der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow sowie Altkanzler Helmut Kohl. Im Vorfeld umstritten war Gaucks Auftritt: Er sollte die Rolle der Bürgerrechtler im Wendeherbst würdigen, dabei war sein Name gerade mit der Behörde verknüpft, die das hässliche Erbe der DDR verwaltete. Doch Gauck begeisterte mit einer intelligenten und rhetorisch brillianten Rede - und die Sondersitzung des Bundestags wurde so zu einem der Höhepunkte der Feierlichkeiten zum Jahrestag des Mauerfalls.

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Der französische Präsident Jacques Chirac war der erste Gastredner im Plenarsaal des neu gestalteten Reichstagsgebäudes in Berlin. Am 27. Juni 2000 beschwor er die "amitié franco-allemande" - die deutsch-französische Freundschaft als Ergebnis einer historischen Aussöhnung. Er schlug in diesem Zusammenhang eine jährliche, deutsch-französische Konferenz vor. In Berlin präsentierte Chirac außerdem seine Vorstellungen einer Avantgarde, die unter der Führung von Deutschland und Frankreich wegbereitend in der EU sein soll.

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Weitgehend auf Deutsch hielt Wladimir Putin am 25. September 2001 als erster russischer Präsident eine Rede vor dem Bundestag. Nur wenige Tage nach den Terroranschlägen des 11. September, bekundete Putin seine Solidarität mit US-Präsident Bush. Außerdem betonte er die Zugehörigkeit Russlands zu Europa. Die Gesellschaft für bedrohte Völker hatte gegen den Auftritt Putins protestiert und während seines Staatsbesuchs an die Opfer von Gewalt und Terror in Tschetschenien erinnert.

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Er war der erste UN-Generalsekretär, der im Bundestag sprechen durfte: Am 28. Februar 2002 trat Kofi Annan vor die Abgeordneten. Er lobte das internationale Engagement Deutschlands, allerdings forderte er von der Bundesregierung einen stärkeren Einsatz "für nachhaltigen Frieden und nachhaltige Entwicklung".

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Sein Auftritt gehört zu den umstrittensten Reden der vergangenen Jahren: Am 23. Mai 2002 war der amerikanische Präsident George W. Bush als Redner zu Gast im Bundestag. In seiner Ansprache ließ er keine Zweifel daran, den Kampf gegen den Terrorismus fortsetzen zu wollen.

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Bereits zwei Tage vor der Ankunft Bushs kam es zu Massenprotesten in Berlin: 10.000 Menschen gingen auf die Straße.

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Während der Rede Bushs im Bundestag breiteten einige Parlamentarier der PDS-Fraktion ein Transparent mit der Aufschrift "Mr. Bush + Mr. Schröder: stop your wars" aus. Saaldiener entfernten das Plakat, woraufhin mehrere Abgeordnete der PDS den Saal verließen.

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Auch über seinen Auftritt wurde im Vorfeld diskutiert. Bedenken gab es vor allem, weil dieses Staatsoberhaupt zum Zeitpunkt seines Auftritts im Bundestag erst seit kurzem im Amt war: Nur sieben Wochen nach seiner Amtsübernahme sprach der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko am 9. März 2005 vor dem Bundestag. In seiner Rede dankte er den Deutschen für die Unterstützung der "Orangenen Revolution" in seinem Land. Thierse hatte Juschtschenko als Zeichen der Anerkennung der friedlichen Revolution in der Ukraine eingeladen. Nach seiner Ansprache standen die Abgeordneten auf, um ihm zu applaudieren.

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Nur wenige Monate später, am 31. Mai 2005, sprach der israelische Präsident Mosche Katsav im Bundestag. Er rief die Deutschen in seiner Rede dazu auf, entschlossen gegen Rechtsradikalismus und Antisemitismus zu kämpfen. "Als Präsident des jüdischen Staates ist es für mich unerträglich, wieder Nazi-Fahnen in deutschen Straßen zu sehen", hatte er bereits im Vorfeld festgestellt. "Wir haben das moralische Recht von Deutschland zu verlangen, keinerlei neonazistische Pilosophie in Deutschland Fuß fassen zu lassen", so Katsav.

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Anlässlich des Holocaust-Gedenktags rief der israelische Staatspräsident Schimon Peres am 27. Januar 2010 vor dem Bundestag dazu auf, noch lebende Nazi-Verbrecher zu bestrafen. Die Parlamentarier erhoben sich nach Peres' Rede - nur die Linkspolitikerinnen Sarah Wagenknecht und Christine Buchholz blieben sitzen, was innerhalb der Partei einen heftigen Streit über die Haltung zu Israel auslöste. Auch am Auftritt des Papsts an diesem Donnerstag stoßen sich insbesondere die Abgeordneten der Linksfraktion, etwa die Hälfte will der Rede denn auch fernbleiben. Unumstritten ist immerhin eine Sache: Benedikt XVI. ist das 13. ausländische Staatsoberhaupt, das in der 62-jährigen Geschichte des Bundestages eingeladen wurde, um vor den Abgeordneten zu sprechen.

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