G7:Report: Trotz des Endes der G8 wird weiter geredet

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Den Haag (dpa) - Es gibt ein Leben nach der G8. Und in Den Haag, wo sich die sieben führenden Industrienationen einschließlich der EU im Streit um die Ukraine von Russland trennten, redete die neu oder wieder geborene G7 auch über eine gemeinsame Ukraine-Strategie.

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Den Haag (dpa) - Es gibt ein Leben nach der G8. Und in Den Haag, wo sich die sieben führenden Industrienationen einschließlich der EU im Streit um die Ukraine von Russland trennten, redete die neu oder wieder geborene G7 auch über eine gemeinsame Ukraine-Strategie.

Und die G7 und Russland wollen auch künftig miteinander reden. Während die Staats- und Regierungschefs der G7 sich über Russlands Annexion der Krim empörten und den russischen Präsidenten Wladimir Putin fast schon als Aussätzigen brandmarkten, saß US-Außenminister John Kerry fast zeitgleich weitab von neugierigen Kameras in ernstem Gespräch mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow zusammen.

Und Lawrow verließ Diplomaten zufolge zwar den Sitzungssaal beim Gipfel über Nuklearsicherheit in Den Haag, als sein ukrainischer Kollege Andrej Deschtschiza zu sprechen begann. Doch nur wenige Minuten später traf er sich in einem Nebenraum mit Deschtschiza, um mit diesem darüber zu sprechen, wie es zwischen Moskau und Kiew weitergehen kann.

Nicht immer sind die Dinge, was sie zu sein scheinen: Dass es ohne Dialog mit Russland nicht wirklich geht, war schon am Tag Eins nach dem westlichen G8-Bannfluch deutlich. Lawrow wollte beispielsweise den USA die Botschaft überbringen, dass Russland keinen Einmarsch in der Ostukraine plane. Warum man ihm das glauben solle, wurde er von Journalisten gefragt: „Wir zwingen niemanden, uns zu glauben“, sagte er. Und unter Bezug auf ein Versprechen des Westens, die Nato nicht in Richtung Russland auszuweiten, fügte er bitter hinzu: „Wir kennen den Preis von Versprechen.“

Sollte die Krim tatsächlich ein Ausnahme- und kein Präzedenzfall sein, so wäre damit das Problem der Annexion durch Moskau noch nicht aus dem Weg geräumt, doch könnten beiden Seiten die - unterschiedlich - schmerzhaften und teuren Wirtschaftssanktionen erspart bleiben. „Der größte Hammer sind Wirtschaftssanktionen. Und der klarste Auslöser dafür sind der Osten und der Süden der Ukraine“, formulierte ein hoher US-Diplomat. Freilich schließt die G7 nicht aus, dass auch unterhalb dieser Schwelle eines russischen Einmarschs in der Ost- und Südukraine schon Wirtschaftssanktionen nötig werden könnten: Das wird absichtlich im Unklaren gelassen.

Lawrow machte vor Journalisten deutlich, wie Moskau sich die Zukunft der Ukraine vorstellt: Eine Verfassungsänderung zur Sicherung der Rechte russischstämmiger Bürger, gefolgt von Wahlen, die zu einer demokratischen Regierung führen - so, wie es ursprünglich auch im Februar vereinbart worden sei. Und der Westen müsse seinen Einfluss geltend machen, damit Radikale und Extremisten nicht eine funktionierende Regierung in Kiew verhindern könnten.

Abgesehen vom Status der Krim ist der russische Chefdiplomat damit gar nicht so weit von der G7 entfernt. Auch in Deutschland und anderen EU-Staaten ist man unglücklich darüber, dass die von den Außenministern Deutschlands, Frankreichs und Polens ausgehandelte Übergangslösung für die Ukraine nicht umgesetzt wurde - eine ständige Klage Moskaus. Und in verschiedenen Hauptstädten hofft man Diplomaten zufolge inständig darauf, dass nach den jetzt für Ende Mai geplanten Wahlen in der Ukraine eine funktionsfähige und solide Regierung zustande kommt. Das Katastrophenszenario wären auch aus westlicher Sicht zerstrittene Parteien unter der Führung von nicht unbedingt integren einstigen Oppositionspolitikern.

Einerseits hat der Westen jetzt alle Hände voll zu tun, angesichts der dramatisch steigenden russischen Gaspreise für die Ukraine das Land vor dem wirtschaftlichen Kollaps zu retten. Elf Milliarden Euro hat die EU bereits versprochen, aber ein großer Teil davon setzt schmerzhafte Reformen voraus. Und auch diese ansehnliche Summe könnte nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein.

Andererseits müssen EU und Nato auch auf das eigene Lager achten: Die drei baltischen Staaten mit teilweise hohem russischem Bevölkerungsanteil sowie Polen und Rumänien haben Angst, sie könnten die nächsten auf einer russischen Liste für Grenzkorrekturen sein. Bisher ist neben demonstrativer Militärpräsenz der USA und anderer Nato-Staaten vor allem erkennbar, dass Spitzenpolitiker aus den EU-Staaten plötzlich sehr viel präsenter als je zuvor in diesem EU-Grenzbereich sind. Und dass sie sehr viel deutlicher als sonst die Ernsthaftigkeit der Beistandsverpflichtung gemäß dem Nato-Vertrag betonen.

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