Fußball-WM 2022 in Katar:Extrem reich, extrem empfindlich

Lesezeit: 2 min

Eine Computergrafik zeigt das noch zu bauende Stadion in der Stadt Al-Wakrah (Foto: AFP)

Endlich mehr sein als Öl und Sand: Das Emirat Katar will sich als moderner Gastgeber der Fußball-WM 2022 präsentieren. Doch jetzt reden alle vom Sklavenstaat, in dem Gastarbeiter bei Höllenhitze tot vom Gerüst fallen. Der Westen muss Katar vermitteln, dass eine Weltmeisterschaft auf Leichen nicht gelingen wird.

Ein Kommentar von Sonja Zekri, Kairo

Neben vielem anderen ist die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 ein schönes Beispiel dafür, wie Markenbildung schiefgehen kann. Katar, kleiner als Schleswig-Holstein, aber das reichste Land der Welt, hatte sich mit dem Sportereignis als moderner, weltoffener Gastgeber zeigen wollen. Mehr noch, es plant eine Museumslandschaft, die sich als Verbeugung vor der westlichen Kultur gibt. Die Schwester des neuen jungen Emirs wurde soeben zur einflussreichsten Frau des Kunstmarktes gekürt. Galeristen auf der ganzen Welt beten, dass Scheicha Majassa ihre Räume betritt - und kauft.

Sport, Kultur, dazu Ableger feinster westlicher Hochschulen - das alles sollte den Ruf der Kataris als Parvenüs mildern. Die "Marke Katar" sollte mehr sein als Gas, Öl, Sand. Doch jetzt redet alle Welt nur vom Sklavenhalterstaat, wo Gastarbeiter bei Höllenhitze tot vom Gerüst fallen.

Zunächst: Es sind ja nicht nur die Kataris. Die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait, Saudi-Arabien haben ähnlich viel Geld, eine ähnlich konservative Gesellschaft, ebenfalls viele Gastarbeiter und herabwürdigende Einwanderungsregeln. Alle diese Länder hängen ab von fremder Arbeit - aber die Menschen, die sie verrichten, verachten sie. Das ist keine arabische Besonderheit, eher ein Phänomen der Rentenstaaten. In Ländern mit großen professionellen Spielräumen, aber unterentwickeltem Menschenrechts- oder Umweltbewusstsein streifen auch Geschäftsleute aus Amerika oder Europa gern die Fesseln westlicher Standards ab, die, man muss das mal sagen, so alt ja auch noch nicht sind.

Der Westen geht oft in die Defensive - das Gegenteil wäre richtig

So gesehen, wird aus dem Markendesaster eine Möglichkeit. Nach außen zeigen sich die Kataris unbeeindruckt von den Vorwürfen wegen ihrer Feudalmethoden. Tatsächlich aber sind sie ausgesprochen empfindlich gegenüber Druck, und sei es auch nur, weil die Investitionen ins Image so hoch sind. Der wirtschaftlich gebeutelte Westen geht angesichts der phantastischen Möglichkeiten der Öl- und Gas-Monarchen oft in die Defensive.

Das Gegenteil wäre richtig: Nicht nur Katar, auch andere Golfstaaten suchen ja den Kontakt mit dem Westen, wollen sich schmücken mit seinen Attributen, die durchaus weiche Standortfaktoren für Öl-Manager sind. Aber die Araber möchten auswählen - Kunst ohne Aktgemälde, Bauprojekte auf Feudalbasis, Internet ohne kritische Blogger. Dass das nicht geht, dass eine WM auf Leichen kein gelungenes Sportfest wird, ist eine Erkenntnis, die offensichtlich erst noch vermittelt werden muss, idealerweise vom Welt-Fußballverband, falls dieser wie bisher ausfällt: von einer kritischen Weltöffentlichkeit.

Natürlich geben sich die Kataris beleidigt, manche bemühen Islamfeindschaft oder Rassismus, um von den wahren Gründen für die Kritik abzulenken. Doch das Argument zieht nicht. Niemand zwingt die reichen Araber, sich mit fremder Kunst oder globalem Sport-Glamour zu umgeben. Aber wenn, dann sind sie den gleichen Maßstäben wie alle unterworfen. Diese Chance sollte man ihnen nicht nehmen.

© SZ vom 20.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: