Führungsposten:Ihr könnt uns mal - ablehnen

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Die AfD-Fraktion im Bundestag steht ungerührt hinter ihren Kandidaten. Auch wenn die durch Pöbeleien auffielen.

Von Jens Schneider

Es ist ein Schnappschuss von zwei Menschen, die aussehen wollen, als ob sie richtig Spaß haben. Das Selfie zeigt die AfD-Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Alexander Gauland. Beide grinsen. Weidel hat das Bild per Twitter aus einer Fraktionssitzung der AfD in dieser Woche versandt. Dazu schrieb Weidel, dass sie gerade "gut gelaunt alle Positionen der Gremien und Ausschüsse durch wählen". Produkt dieser Art guter Laune war das Signal, dass man sich um die Stimmung in der Welt draußen wenig schert.

Für den Rechtsausschuss des Bundestages nominierte die AfD als Vorsitzenden ausgerechnet Stephan Brandner, einen Juristen, der bisher weitgehend unbekannt war, allerdings in seinem bisherigen Wirkungsfeld in Thüringen mit einer Reihe übler Ausfälle auffiel. Dort saß er im Landtag in Erfurt und sammelte mit Beleidigungen Ordnungsrufe. Die AfD hatte nun kein Problem damit, Brandner zu nominieren. Dazu fällt über die Stimmung ein Satz, der viel über die Einstellung in dieser Fraktion sagt: Niemand sei aufgestanden und habe gesagt, dass Brandner wegen dieser früheren Aussagen nicht gewählt werden dürfe. "Aber wenn das jemand getan hätte, wäre Brandner erst recht gewählt worden", sagt ein wichtiges Fraktionsmitglied.

Im Fall von Peter Boehringer ist es ähnlich. Boehringer wurde als Vorsitzender des Haushaltsausschusses nominiert. Es ist einer der wichtigsten Posten, die die AfD im Bundestag zu vergeben hat. Auch von Boehringer gibt es eine lange Liste unappetitlicher Aussagen, die ihn als jemanden ausweisen, der Grenzen überschreitet. Den AfD-Spitzen ist das bekannt, es stört sie so wenig wie den Rest der Fraktion.

Die Presse würde doch bei jedem Fraktionsmitglied ähnliche Aussagen finden, sagt ein AfDler

Die beiden seien eben die besten Kandidaten gewesen, heißt es. Über die Liste der Entgleisungen macht man sich keine Gedanken. Die Presse würde, entgegnet ein Parlamentarier, bei jedem AfD-Fraktionsmitglied ähnliche Aussagen finden. Brandner wird im Gespräch verteidigt, er sei hoch geschätzt, über alle Flügel hinaus.

Es gibt Fraktionsmitglieder, die sagen, bei den Entscheidungen sei schon auch Lust an der Provokation dabeigewesen. Die AfD habe darauf reagiert, dass zuletzt jeder ihrer Kandidaten für Ämter durchfiel. "Nun war Trotz dabei", sagt einer. Verwiesen wird stets auf Roman Reusch, den früheren leitenden Oberstaatsanwalt, der als Bewerber für das Geheimdienst-Kontrollgremium PKGr scheiterte. Er sei untadelig und dennoch abgelehnt worden. Seither herrsche in der Fraktion der AfD eine "Jetzt-erst-recht-Stimmung". Andere finden die Entscheidung für Brandner "einfach normal", wie es bei der AfD heißt. Man hätte sie auch ohne Trotz getroffen.

Die Empörung draußen wird als Bestätigung des eigenen Burgdenkens verstanden. AfD-Fraktionschef Gauland glaubt, dass seine Partei bei ihren Anhängern von der Ablehnung der anderen profitiere. Er sieht einen Nutzen, kalkuliert ihn mit ein. Das ist Teil des Spiels der AfD: In dieser Woche hat sie beschlossen, auch in der Frage des Kandidaten für das Amt des Bundestagsvizepräsidenten auf ihrem Bewerber Albrecht Glaser zu beharren. Der ist drei Mal durchgefallen. Der Ältestenrat des Bundestags hat einen erneuten Wahlgang abgelehnt, weil er aussichtslos erscheine. Aber die AfD will keinen anderen Kandidaten nominieren.

© SZ vom 26.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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