Freizeit:Verkaufsknaller

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Warum gerade viele in der Freizeit zur Waffe greifen.

Von Titus Arnu

Das rituelle Gehabe von traditionellen Schützen ist manchmal zum Schießen. Männer ballern Holzvögel von einem Pfosten, schwenken Fahnen, hängen sich Kränze um, setzen grüne Federhüte auf, ziehen singend durch die Stadt. Ist das Sport oder Karneval? Das deutsche Schützenwesen zählt jedenfalls zum immateriellen Weltkulturerbe, es galt lange als urdeutsche, männliche, bierernste Angelegenheit. Doch nun sind immer mehr Frauen am Drücker - und verändern die Waffenkultur.

"Frauen sind im Bereich Luftgewehr die besseren Schützen als Männer", sagt Thilo von Hagen, Sprecher des Deutschen Schützenbundes (DSB), "in der Bundesliga geben sie den Ton an". Die Waffenindustrie hat den Trend zur Weiblichkeit erkannt und treffsicher vermarktet. Führende Hersteller von Sportwaffen entwickeln leichtgewichtige Pistolen und Gewehre, die auf die weibliche Anatomie abgestimmt sind. Luftgewehre sind derzeit besonders gefragt. Die meisten darf man ab 18 Jahren ohne Waffenschein kaufen. Wer ein Einsteigerinnenmodell wie "Diana Twenty-One" bestellt, muss sich allerdings auf Lieferzeiten von bis zu drei Monaten einstellen.

Seit vergangenem Sommer schießen die Verkäufe geradezu in die Höhe. "Wir beobachten einen starken Zulauf", sagt der Luftgewehr-Blogger Andi Hofmann, der hauptberuflich Druckluftwaffen testet und Zubehör verkauft, "im Freizeitbereich steigen Aufmerksamkeit und Nachfrage." Luftgewehrschießen ist eine olympische Disziplin, aber die wenigsten Käufer sind Leistungssportler, sondern Amateure, die im Garten Schießübungen veranstalten. "Schießen ist ein Sport, der Ruhe, Konzentration, bewusstes Atmen und viel Übung erfordert, was einen geradezu meditativen Charakter hat", sagt Andi Hofmann, der auf seiner Website für den angeblich friedlichen Charakter der Sportart wirbt.

Man zielt auf Zahlenringe oder Metallhasen

Der DSB, mit 1,3 Millionen Mitgliedern viertgrößter Sportverband des Landes, verzeichnete vergangenes Jahr einen Rückgang um 20 000 Mitglieder. Während des Lockdowns waren die Schießstände geschlossen, Wettbewerbe wurden größtenteils abgesagt. Stattdessen explodierte die Zahl der Freizeitschützen, die auf Privatgelände eine Zielscheibe ins Fadenkreuz nehmen. Zumal ein Luftgewehr relativ einfach zu handhaben und schon für Kinder ab zwölf unter Aufsicht von Erwachsenen erlaubt ist. 4,5-Millimeter-Munition wird mittels Druckluft oder CO₂ aus dem Lauf befördert, man zielt auf Zahlenringe oder wegklappende Metallhasen wie bei einer Jahrmarkt-Schießbude.

Auf Katzen, Hunde und Nachbarn sollte man dagegen auf keinen Fall zielen. Denn ganz ungefährlich sind Luftgewehre nicht. Wenn das Projektil aus kurzer Distanz einen Körperteil trifft, führt das mindestens zu blauen Flecken, wenn es schlecht läuft, zu ernsthaften Verletzungen. Es existieren wenige Regeln für Luftgewehrschießen auf dem Privatgelände, aber eine schon, sagt DSB-Sprecher von Hagen: "Das Geschoss darf nicht das Grundstück verlassen." Wie man das am besten hinkriegt, bringen einem Fachleute bei, am besten im Schützenverein. Man muss dort heutzutage auch keinen grünen Hut mit Feder tragen.

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