Freihandelsabkommen:Hoffnung für Ceta-Gegner

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Das Bundesverfassungsgericht befasst sich mit einem Eilantrag von 200 000 Klägern, die das Freihandelsabkommen stoppen wollen. Der zentrale Punkt in Karlsruhe war dabei: Könnte Deutschland auch wieder aus dem Abkommen aussteigen?

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Fast 200 000 Kläger wollen das Freihandelsabkommen Ceta per Eilentscheidung aus Karlsruhe in letzter Minute aufhalten - doch die Hürden für einen vorläufigen Stopp liegen sehr hoch. Das hat das Bundesverfassungsgericht in einer Anhörung über die Eilanträge mehrerer Klägergruppen deutlich gemacht. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gelte ein strenger Maßstab, sagte Präsident Andreas Voßkuhle an diesem Mittwoch in Karlsruhe. "Das gilt ganz besonders, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine Maßnahme mit völkerrechtlichen oder außenpolitischen Auswirkungen in Rede steht."

Allein der Umstand, dass der Zweite Senat eine seiner seltenen mündlichen Anhörungen angesetzt hat, ist ein Erfolg für die Ceta-Gegner. Das Urteil wird bereits an diesem Donnerstag verkündet. Eine schriftliche Begründung soll am Montag vorliegen - rechtzeitig vor dem Beschluss der EU-Handelsminister sowie der Unterzeichnung des Abkommens zwischen der EU und Kanada.

Voßkuhles Hinweis auf die Folgen eines Stopps greift Befürchtungen der Bundesregierung auf, die Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) im Verlauf der Verhandlung eindringlich wiederholte. Sollte das Gericht auch nur die vorläufige Anwendung von Ceta untersagen, stünde wahrscheinlich der gesamte Vertrag infrage - die feierliche Unterzeichnung am 27. Oktober würde wohl abgesagt. "Der Schaden für das Ansehen der EU und der Bundesregierung wäre gigantisch." Nach Gabriels Einschätzung würde in den nächsten anderthalb Jahrzehnten niemand ein Freihandelsabkommen mit der EU schließen.

Die vier Gruppen von Beschwerdeführern kritisieren, das Abkommen sei nicht hinreichend demokratisch abgesichert. Der Vertrag sei eine neue Qualität von Freihandel um den Preis der Demokratie, sagte Bernhard Kempen, Vertreter einer Gruppe von 125 000 Klägern.

Zentraler Punkt der Anhörung war die Frage: Könnte Deutschland aus dem Abkommen - das in Teilen vorläufig anwendbar sein soll - wieder aussteigen, falls es durch ein späteres Urteil des Bundesverfassungsgerichts dazu gezwungen würde? Die Fragen der Richter deuteten darauf hin, dass sie von einer solchen Kündigungsmöglichkeit ausgehen. Auf Nachfrage Voßkuhles sagte Minister Gabriel eine entsprechende Zusicherung der Bundesregierung zu. Wichtig ist dies für die Folgenabwägung, die das Gericht in Karlsruhe im Eilverfahren zu treffen hat: Wenn Deutschland auch nach der Unterzeichnung aus Ceta aussteigen kann, dann könnte Karlsruhe den Weg für die vorläufige Anwendung frei machen und die verfassungsrechtlichen Fragen in aller Ruhe in einem Hauptsacheverfahren prüfen. Damit dürften die Aussichten der Kläger auf einen vorläufigen Stopp gesunken sein. Verfassungsrichter Peter Müller warf jedoch die Frage auf, ob vorher noch ein förmlicher Beschluss des Bundestags notwendig sei. Die klagende Linksfraktion hatte kritisiert, Ceta greife auch im vorläufigen Stadium in die Zuständigkeiten der Länder ein - trotz gegenteiliger Zusicherungen.

© SZ vom 13.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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