Freie Wähler:Stark auf dem Dorf

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Die Partei erreicht mit 11,6 Prozent ihr bestes Ergebnis. In den Großstädten hingegen tun sich die ländlich verwurzelten Politiker noch schwer.

Von Katja Auer

Hätte der Spitzenkandidat noch ein Direktmandat geholt, wäre es freilich schöner gewesen. Hubert Aiwanger, mutmaßlich bald Bayerns stellvertretender Ministerpräsident, lag während der Auszählung am Sonntagabend eine Zeit lang vorn in seinem Stimmkreis Landshut. Am Ende verteidigte dann doch der CSU-Abgeordnete Helmut Radlmeier sein Mandat, der Chef der Freien Wähler erreichte mit 23,6 Prozent der Gesamtstimmen den zweiten Platz. Das trübte die Freude nur wenig, für die Freien Wähler ist die Landtagswahl ein voller Erfolg.

11,6 Prozent der Stimmen erreichte die Partei, das beste Ergebnis, seit sie 2008 nach zwei erfolglosen Versuchen ins Parlament einzog. Nach Verlusten bei der Landtagswahl 2013 steigerten sich die Freien Wähler nun um 2,6 Prozentpunkte. Mehr als 1,5 Millionen Menschen gaben den Freien Wählern diesmal ihre Stimme, sie gewannen eine halbe Million Stimmen dazu. 27 Sitze erhalten sie im neuen Parlament, das wird reichen für eine Koalition mit der CSU, alle Anzeichen sprechen dafür.

Die Freien Wähler sind traditionell in den ländlich geprägten Gebieten stark, da kommen sie her, dort werden sie gewählt. Vor allem im Osten Bayerns, in Niederbayern und in der Oberpfalz sind die Freien Wähler in vielen Stimmkreisen sogar zweitstärkste Kraft mit Ergebnissen von 15 bis fast 25 Prozent. Dazu passt, dass die Menschen in Bayern den Freien Wählern vor allem Kompetenzen bei der Stärkung des ländlichen Raums zuschreiben, wie eine Umfrage von Infratest dimap zeigt. Zwei Drittel der Befragten gaben zudem an, dass die Freien Wähler eine gute Alternative für alle jene seien, die sich bei der CSU nicht mehr aufgehoben fühlen. Dafür spricht auch die Wählerwanderung, die Infratest dimap ermittelt hat. Der zufolge hat die CSU um die 160 000 Wähler an die Freien Wähler verloren, aber auch 70 000 ehemalige SPD-Wähler und 80 000 Nichtwähler machten ihr Kreuz bei den FW. Umgekehrt mussten diese der Befragung zufolge keine Stimmen abgeben, lediglich an die AfD verloren sie etwa 60 000 Wähler. Das mag daran liegen, dass FW-Chef Hubert Aiwanger seinen zunächst scharfen Ton in der Asylpolitik inzwischen gemildert hat - auch auf Wunsch aus den eigenen Reihen.

Es fällt auf, dass Freie Wähler und die AfD in vielen Stimmbezirken, wiederum meist im Osten Bayerns, Kopf an Kopf lagen. So holte etwa die AfD ihr stärkstes Ergebnis mit 16,2 Prozent im Stimmkreis Regen, Freyung-Grafenau - die Freien Wähler kamen dort auf den gleichen Stimmenanteil. Deren stärkster Stimmbezirk ist das niederbayerische Kelheim, wo die Partei 24,6 Prozent holte. Das liegt auch am Kandidaten, dort trat der frühere Landrat Hubert Faltermeier an. Dies belegt wiederum, dass die Menschen den Freien Wählern offenbar dort ihre Stimme geben, wo sie sich in der Kommunalpolitik bewährt haben. Die Partei stellt in Bayern zehn Landräte, Hunderte Bürgermeister und Tausende Gemeinderäte.

Hubert Aiwanger will Minister werden. (Foto: Sammy Minkoff/imago)

Davon dürfte auch Thorsten Glauber im oberfränkischen Stimmkreis Forchheim profitiert haben, der 25,2 Prozent der Erststimmen holte, was zu einem Anteil der Gesamtstimmen von 20,4 Prozent führte. Glaubers Vater war lange Landrat in Forchheim, der Sohn ist ebenfalls kommunalpolitisch engagiert und tritt nun seine dritte Wahlperiode im Landtag an.

Der Zuspruch für die Freien Wähler in den ländlichen Regionen rührt auch daher, dass sie sich dort - wie die CSU - in Vereinen und an den Stammtischen blicken lassen, sie sind im sogenannten vorpolitischen Raum verwurzelt, was den meisten Kandidaten der anderen Parteien abgeht. Viele FW-Mitglieder kamen über das ehrenamtliche Engagement für ein Projekt zur Politik, die Verwurzelung der Partei in der Bevölkerung ist eine gewachsene.

Wo sich allerdings keine bekannten Namen finden und keine kommunalpolitische Tradition, da tun sich die Freien Wähler schwer. In Nürnberg etwa, wo sie in allen vier Stimmbezirken unter fünf Prozent blieben und damit den Einzug in den Landtag verpasst hätten.

Die Partei stellt zehn Landräte, Hunderte Bürgermeister und Tausende Gemeinderäte

In München hat die Partei inzwischen zumindest ein bisschen Fuß gefasst. Die Ergebnisse von bis zu sieben Prozent liegen immer noch weit unter dem Landesdurchschnitt, sind aber dennoch ein Erfolg, da die FW lange schon versuchen, sich in den Städten zu etablieren. In München kann das auch FW-Generalsekretär Michael Piazolo zugeschrieben werden, dem einzigen Großstadt-Vertreter der FW im Parlament und typmäßigen Gegenteil von Aiwanger. Der Professor für europäische Studien ist ganz und gar nicht hemdsärmelig und schon gar nicht klischee-bayerisch, und gibt den Freien Wählern damit wenigstens den Anschein, dass sie auch die Interessen der städtischen Bevölkerung vertreten könnten. Dazu passt ihre Forderung nach einer kostenfreien Kinderbetreuung, die viele Stadtbewohner mehr umtreibt als die Menschen auf dem Land. 8,6 Prozent der Erststimmen holte Piazolo in seinem Stimmkreis München-Giesing, bei den Gesamtstimmen kamen die Freien Wähler auf einen Anteil von 7,3 Prozent.

© SZ vom 16.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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