Frankreichs Innenminister Valls:Der Bulle von Paris

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Während die Umfragewerte von Präsident Hollande abstürzen, steigt Frankreichs Innenminister zum beliebtesten Politiker des Landes auf. Manuel Valls will beweisen, dass die Linke für Sicherheit und Ordnung sorgen kann. Er ist zur Stelle, wenn es brennt - wie in der Silvesternacht.

Von Stefan Ulrich, Paris

So sieht er sich, so will er gesehen werden: zupackend, klarsichtig, offen. "Wenn es darum geht, Kriminalität und Unsicherheit zu bekämpfen, gibt es nichts zu kaschieren", sagt Manuel Valls. Deswegen hat der Innenminister mit der Politik seiner Vorgänger gebrochen und am Mittwoch eine delikate Zahl bekannt gegeben: 1193. So viele Autos wurden in der Silvesternacht in Frankreich angezündet. Valls spricht von einem inakzeptablen "Nationalsport", den es zu stoppen gelte.

In Frankreich gehen besonders viele Autos in Flammen auf, pro Jahr sollen es bis zu 60.000 sein. Die Täter sind Versicherungsbetrüger, Rabauken und Jugendliche in den Vorstädten, die ein Zeichen des Protests setzen wollen. Die Neujahrsnacht verspricht da besondere Aufmerksamkeit. Die konservativen Vorgänger von Valls im Innenministerium beschlossen deshalb, keine Zahlen für die Silvesternacht zu veröffentlichen, um die "französische Meisterschaft im Autoverbrennen" nicht anzuheizen. Valls findet dagegen, er sei den Franzosen "Transparenz" und "Wahrheit" schuldig. Das dürfte seine Popularität steigern.

Schon jetzt genießt der "erste Flic Frankreichs", wie der Innenminister genannt wird, großes Ansehen in allen Lagern und Schichten. Während die Umfragewerte von Präsident François Hollande und Premier Jean-Marc Ayrault abstürzten, stieg Valls zum beliebtesten Politiker des Landes auf. Er erreicht Zustimmungswerte von bis zu 75 Prozent. Von "Valls-Mania" ist die Rede. In Paris wird getuschelt, der 50 Jahre alte Mann mit dem kantigen Gesicht und dem forschen Auftreten könnte bald neuer Regierungschef werden. Das Politmagazin Nouvel-Observateur kürte ihn bereits ironisch zum "Vizepräsidenten".

Kometenhafter Aufstieg

Sein Aufstieg wirkt kometenhaft. Denn der in Barcelona geborene Valls, dessen Vater vor dem Diktator Franco nach Frankreich flüchtete, galt lange als Außenseiter. Er stieg zwar schnell in der Sozialistischen Partei auf, wurde 2001 zum Bürgermeister der Stadt Évry und ein Jahr später zum Abgeordneten gewählt; er war aber vielen Parteigrößen wegen seiner Überzeugungen suspekt. Valls plädierte für eine pragmatische Öffnung der Sozialisten und eine "effektive Linke". Er forderte eine wirtschaftsfreundliche Politik und wollte Kriminelle knallhart bekämpfen.

2007 bot der frisch gewählte konservative Präsident Nicolas Sarkozy diesem ungewöhnlichen Sozialisten ein Ministeramt an. Valls lehnte ab. 2009 legte ihm Martine Aubry, die damalige Chefin der Sozialisten, den Parteiaustritt nahe. Valls blieb. Im Herbst 2011 bekam er bei der Urwahl des sozialistischen Präsidentschaftskandidaten nur 5,6 Prozent. Dann reihte er sich hinter Hollande ein und eroberte sich als Kommunikationschef eine Schlüsselrolle in dessen Präsidentschaftskampagne. Valls hatte großen Anteil an Hollandes Wahlsieg.

Indem Hollande den ehrgeizigen, selbstbewussten und mediengewandten Valls zum Innenminister ernannte, wollte er den rechten Flügel der Partei stark machen. Das gelang. Valls erwies sich als omnipräsenter Mann für Sicherheit und Ordnung. Wo es brannte, war er zur Stelle: in Marseille, auf Korsika, in aufrührerischen Vorstädten, bei Großrazzien gegen Islamisten und, zuletzt, in der brandgefährlichen Silvesternacht.

Valls ließ einen antisemitischen Imam ausweisen, wandte sich gegen Drogenfreigabe, räumte illegale Roma-Lager und lehnte ein kommunales Wahlrecht für Ausländer ab. Das gefiel besonders dem konservativen Frankreich. Im Regierungslager fragten sich dagegen einige, ob Valls überhaupt ein Linker sei. Doch verzichten wollen die Sozialisten nicht mehr auf ihn.

Wie ein junger Sarkozy

Immer wieder wird Valls mit dem jungen Sarkozy verglichen, der auch mal ein populärer, forscher Innenminister war. Beide gelten als tatkräftig, hyperaktiv und machtbewusst bis zur Brutalität. Für Valls kann der Vergleich jedoch gefährlich werden, wenn er in der Linken weiter aufsteigen möchte. "Vergessen Sie Nicolas Sarkozy, Sie interviewen Manuel Valls", sagte er im Dezember einem Journalisten im Staatsfernsehen.

Im Parlament attackierte er die abgewählte Rechte heftig. Diese sei für die Rückkehr des Terrorismus verantwortlich. "Sie sind gescheitert - und die Franzosen zahlen heute für zehn Jahre, in denen die Sicherheitspolitik darin bestand, Gesetze zu machen, die nichts nutzten und nicht angewendet wurden." So will sich Valls dagegen immunisieren, dass die Kriminalitätszahlen in Frankreich steigen.

Lang wird der Minister schlechte Statistiken aber nicht bei der Vorgängerregierung abladen können. Valls möchte beweisen, dass die Linke Sicherheit und Ordnung kann. Da würde es sich gut machen, wenn in der nächsten Silvesternacht weniger Autos brennen.

© SZ vom 03.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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