Frankreich:Zerfall am linken Rand

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Teile der eigenen Partei meutern offen gegen Präsident Hollande. Sie werfen ihm Verrat an sozialistischen Prinzipien vor. Der Aufstand geht so weit, dass es Gerüchte gibt, der Präsident könne resignieren und 2017 nicht mehr antreten.

Von Christian Wernicke

François Hollande laufen die Genossen davon. Scharenweise, und voller Wut: "Uns reicht's!" - so klingt der Grundton einer Kampfschrift, mit der prominente Linke bereits jetzt, 14 Monate vor den nächsten Wahlen, die Amtszeit ihres sozialistischen Präsidenten in die Tonne treten. Die Vorwürfe, formuliert von Partei-"Freunden" und intellektuellen Wegbegleitern, könnten härter kaum sein: Die Wirtschaftspolitik des Präsidenten? Ein Pakt mit den Bossen, "eine Täuschung". Hollandes Anti-Terror-Kurs? Ein Verrat an Frankreichs Idealen von Freiheit und Gleichheit. Der jüngste Reformplan der Regierung, das Korsett der 35-StundenWoche zu lockern? Ein Manöver, um alle Werktätigen "der permanenten Erpressung" durch die Chefs auszuliefern.

Das erbitterte Pamphlet ist weit mehr als nur noch ein weiterer Protest gegen Hollandes Politik. Es ist der finale Beweis für Bruch und Zerfall der französischen Linken. Gerade erst hatte Hollande versucht, per Kabinettsumbildung einen Teil der verlorenen Genossen wieder zurückzuholen in sein Boot. Nun, nur zwei Wochen später, wirkt all dies wie das taktische Getüftel eines Mannes, der strategisch gescheitert ist. Indem die Linke ihm die Brocken vor die Füße wirft, schwinden die Chancen des Amtsinhabers, per Wiederwahl 2017 eine zweite Amtszeit zu ergattern.

Teile der eigenen Partei meutern gegen Präsident Hollande

Mehr Anlass als Ursache dieser linken Scheidung ist ein Gesetz, mit dem der Präsident an ein linkes Tabu rührt - die 35-Stunden-Woche. Die hatte einst Martine Aubry, Hollandes langjährige Konkurrentin und jetzige Kritikerin, als Arbeitsministerin durchgesetzt. Der Sozialdemokrat Hollande beteuert zwar, er wolle an der Grundregel von 35 Arbeitsstunden pro Woche nicht rütteln. Manche Paragrafen sind noch unausgereift - aber die Richtung stimmt: Die Reform soll mehr Flexibilität schaffen. Vor allem würde das Gesetz den Arbeitnehmern das Recht zusprechen, notfalls per Urabstimmung im Betrieb gegen den Willen ihrer Gewerkschaft länger zu arbeiten. Prompt drohten denn auch die Syndikate mit Streiks und roten Fahnen.

Rein wirtschaftlich gesehen, ist Hollandes Vorhaben sinnvoll. Weniger starre Arbeitszeiten stärken die Wettbewerbsfähigkeit, schaffen also letztlich, was Frankreich so elendig dringend braucht - Jobs. Politisch hingegen manövriert sich Hollande in eine gleich doppelte Klemme. Ein gutes Jahr vor der Wahl riskiert er den Aufstand der eigenen Linken - und seine Reform kommt obendrein so spät, dass deren Job-Effekte sich erst einstellen dürften, wenn längst alle Stimmzettel ausgezählt worden sind.

Der Mann im Élysée verkümmert zum designierten Verlierer. Manche Palast-Kenner bezweifeln sogar, dass der Präsident 2017 überhaupt nochmals antreten wird. In den Hinterköpfen ambitionierter Partei-Freunde wie -Feinde hat längst die Post-Hollande-Ära begonnen.

Unklar ist, wer auf der Linken versuchen will, die Führung der ramponierten Sozialistischen Partei (PS) zu übernehmen. Martine Aubry bestreitet jedwede Ambition. Auf der Parteirechten hingegen ist der Gladiator längst eindeutig zu erkennen: Manuel Valls, der Premierminister, beteuert zwar allzeit seine Loyalität zum Staatschef. Aber falls Hollande ausfiele, würde dessen erster Diener sofort vorpreschen - und kandidieren. Schon vor Jahren schlug Valls vor, endlich das "Sozialistische" aus dem Parteinamen zu streichen. Er will an die Macht nicht mit der Linken, sondern gegen sie. Unter Hollandes Vertrauten gärte jüngst sogar der Verdacht, Valls schüre perfide die Konflikte mit der PS-Linken - um Hollande in die Resignation zu treiben.

Das muss nicht stimmen. Nur, wenn doch? Dann wäre der talentierte Monsieur Valls - auch dank der Wut der Linken - seinem Ziel näher denn je.

© SZ vom 26.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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