Frankreich:Wankende Militärmacht

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Frankreich war bisher die zentrale Militärmacht in Europa. Die Rollenverteilung könnte sich nun ändern.

Von Isabel Pfaff, München

Frankreich ist die wichtigste Militärmacht des Kontinents - kein EU-Staat hat mehr aktive Soldaten, mehr Panzer, mehr Flugzeuge. Der Status war bislang ein wesentlicher Teil des französischen Selbstverständnisses, der die eigene Bedeutung im europäischen Vergleich untermauern sollte. Mehr als 7000 französische Soldaten sind nach Angaben des Verteidigungsministeriums im Ausland aktiv. Zum Vergleich: Deutschland hat im Moment 3000 Bundeswehrsoldaten in internationalen Einsätzen.

Europa hat die Krisen in Afrika bislang gerne Frankreich überlassen

Insbesondere Frankreichs Engagement in Afrika folgt dabei weniger altruistischen Motiven als vielmehr einer machtpolitischen Tradition. Die ehemalige Kolonialmacht hat sich nie wirklich aus ihren früheren Besitzungen zurückgezogen; die politischen, wirtschaftlichen und militärischen Verbindungen zwischen den französischen und afrikanischen Eliten sind weiterhin eng. Bisher lag es also im Interesse Frankreichs, bei Krisen im frankophonen Afrika einzugreifen - und im Interesse der europäischen Partner, dieses schwierige Terrain Paris zu überlassen. Die Anschläge von Freitagnacht könnten das nun ändern.

Denn der Terror von Paris bringt auch eine Militärmacht wie Frankreich ins Wanken. Die Regierung von Präsident François Hollande hat zwar sofort die Luftangriffe auf Stellungen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Irak und in Syrien verstärkt. Gleichzeitig hat sie die EU-Mitgliedstaaten aufgefordert, Frankreich insbesondere bei den Auslandsoperationen zu entlasten. Damit könnte eine Rollenverteilung zu Ende gehen, mit der man in Europa bisher recht zufrieden war.

Das französische Engagement im Ausland konzentriert sich auf Westafrika. Die mit Abstand größte laufende Operation - Barkhane - erstreckt sich über den Sahelgürtel. 3000 französische Soldaten unterstützen die fünf Länder Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad im Kampf gegen bewaffnete Terrorgruppen. Aus Nordafrika gelangen immer mehr gewalttätige Islamisten in die Staaten der Sahel-Region, deren Sicherheitsapparate als zu schwach gelten, um mit dieser neuen Bedrohung umzugehen.

Die Hauptstützpunkte der Operation Barkhane befinden sich in Mali und Tschad, wo Frankreich bis vor kurzem noch zwei separate Militärmissionen unterhalten hat. Mali wird seit 2012 von dem Konflikt zwischen Regierung, Tuareg-Rebellen und Islamisten zerrissen. Eine UN-Friedenstruppe und eine Ausbildungsmission der EU ergänzen dort das französische Engagement - insbesondere an dieser Stelle sehen EU-Mitgliedstaaten wie Deutschland die Möglichkeit, Frankreich zu entlasten.

In der Zentralafrikanischen Republik sind 900 französische Soldaten stationiert. Die Operation Sangaris hat ein Mandat der Vereinten Nationen und soll die Zivilbevölkerung in dem Bürgerkriegsland schützen, die seit 2013 immer wieder zwischen die Fronten verfeindeter Milizen gerät. Auch in Zentralafrika existiert neben dem französischen Kontingent noch eine UN-Mission - und wie so oft sind die Blauhelme sehr viel schlechter ausgestattet als die französische Soldaten.

Im Libanon beteiligt sich Frankreich mit der Operation Daman an Unifil, einer der ältesten UN-Beobachtungsmissionen aller Zeiten - seit 1978 sind internationale Truppen dort im Einsatz. Sie dienen in der chronisch instabilen Region als Reserve-Eingreiftruppe und verstärken die libanesische Armee. 900 französische Soldaten sind im Libanon aktiv.

Im Rahmen der Operation Chammal unterstützt Frankreich mit 700 Soldaten die irakische Armee seit mehr als einem Jahr mit Luftangriffen beim Kampf gegen den IS. Nach den Terroranschlägen von Paris ist zu erwarten, dass die Franzosen ihr Engagement im Irak und in Syrien ausdehnen werden. Mit 350 Soldaten beteiligt sich Frankreich außerdem an Atalanta, der Anti-Piraterie-Mission der EU vor den Küsten Somalias. Ebenfalls 350 Mann sind auf einer Marine-Einheit im Golf von Guinea stationiert. Diese Operation Corymbe existiert seit 1990 und dient allgemein der Sicherung französischer Interessen an der westafrikanischen Küste. Zahlreiche französische Unternehmen fördern in dieser Region Öl oder Uran.

© SZ vom 19.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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