Frankreich:Teile des Lagers in Calais werden geräumt

Die Justiz hat die geplante Räumung eines Teils des Flüchtlingslagers gebilligt. Die Bewohner sollen über Frankreich verteilt werden.

Von Christian Wernicke, Paris

Das als "Dschungel" bekannte Flüchtlingslager am Rande der französischen Hafenstadt Calais darf ab sofort geräumt werden. Ein Verwaltungsgericht billigte am Donnerstag eine entsprechende Verfügung der Präfektin Fabienne Buccio. In dem wilden Camp leben nach Schätzungen von Hilfsorganisationen ungefähr 5000 Flüchtlinge, die seit Monaten versuchen, als blinde Passagiere per Fähre oder Zug durch den Eurotunnel nach England zu gelangen.

Das Urteil vom Donnerstag billigt die von der Präfektur angeordnete Räumung in der Südhälfte des Lagers. Vorerst ausgenommen vom Abriss der Holzhütten und Zelten bleiben Schulen, Kirchen und Moscheen sowie ein Großzelt, das als Theater dient. Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve hatte diese Woche erklärt, die Räumung solle als "humanitäre Maßnahme" schrittweise und möglichst ohne Einsatz von Polizeigewalt erfolgen. Der Minister versprach, man werde "jeden Einzelfall" prüfen und den Migranten Ersatz-Unterkünfte bereitstellen.

Hilfsorganisationen hegen Zweifel an dieser Zusage. Nach ihrer Zählung leben im betroffenen Südteil des "Dschungels" knapp 3500 Personen, darunter um die 300 Kinder ohne Begleitung. Präfektin Buccio hatte nur 800 bis 1000 Personen geschätzt. Die Regierung hatte im Januar in unmittelbarer Lagernähe zwar ein neues Containerdorf mit 1500 Schlafplätzen eröffnet. Hier sind jedoch nur noch ungefähr 200 Betten frei. Alternativ will die Regierung die Migranten vorerst in feste Notlager (Ferienheime, kleine Hotels) in allen Teilen Frankreichs beherbergen und sie überzeugen, einen Asylantrag in Frankreich zu stellen. Etwa acht von zehn Flüchtlingen, die in einem solchen Notlager leben, haben dies getan. Allerdings gibt es viele Fälle, in den die Flüchtlinge nach Calais zurückkehrten und erneut versuchten, illegal nach England vorzudringen.

© SZ vom 26.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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