Frankreich:Sparen gegen die Blockade

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Gegen die französische Lust am Geldausgeben: Premierminister Edouard Philippe bei seiner Rede in der Nationalversammlung. (Foto: Philippe Wojazer/Reuters)

Frankreichs Premier Philippe kündigt Reformen zur Haushaltssanierung an. Er will das "verkrustete" Land auf diese Art erneuern.

Von Christian Wernicke, Paris

Premierminister Édouard Philippe will Frankreichs Sozialsystem erneuern und die Staatsfinanzen von Grund auf sanieren. Bei seiner Antrittsrede in der Nationalversammlung am Dienstag beklagte der Regierungschef "eine französische Sucht nach öffentlichen Ausgaben". Um die Bürger zu entlasten, wolle er die Steuerlast senken. Beim Sparen sei "kein Ministerium und keine Steuernische unantastbar". Der überwältigende Wahlsieg von Präsident Emmanuel Macron und dessen Partei En Marche sei "keine Blankovollmacht". Am Abend gewann Philippe die Vertrauensabstimmung im Parlament mit 370 gegen 67 Stimmen.

Zuvor hatte Premier Philippe im Palais Bourbon gesprochen, dem prächtigen Sitz des Parlaments, nur 24 Stunden nach einer Grundsatzrede von Präsident Emmanuel Macron im Schloss von Versailles. Dabei hatte das Staatsoberhaupt eher abstrakt die Probleme eines oft verkrusteten Frankreichs beschrieben und einen "grundlegenden Wandel" versprochen. Premier Philippe knüpfte hier an: Er sprach von "einer blockierten Gesellschaft" - und skizzierte konkrete Schritte zur Erneuerung des Landes bis zu präzisen Details: So will die Regierung die Zahl der Pflichtimpfungen für Kinder steigern oder im Kampf gegen den Krebs den Preis einer Packung Zigaretten auf zehn Euro erhöhen.

Für Macron hängt vom Einhalten der Defizitgrenze die Glaubwürdigkeit Frankreichs ab

Ausführlich ging Philippe auf Frankreichs Finanzlage ein. "Der Befund ist schwerwiegend", begann der Premier, der sich als moderater Republikaner Macron angeschlossen hatte. "Wir geben noch immer mehr aus, als wir einnehmen." Philippe vermied es, im Einzelnen konkrete Maßnahmen zur Haushaltssanierung zu benennen. Aber er kündigte an, seine Regierung werde die Steuer- und Abgabenlast der Franzosen, die derzeit etwa bei der Hälfte des Sozialprodukts liegt, um drei Prozentpunkte senken. Ausdrücklich bekannte sich Philippe dazu, Frankreichs Staatsdefizit von sofort an unter die seit über einem Jahrzehnt missachtete EU-Marke von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu drücken. Erst vorige Woche hatte der französische Rechnungshof Paris mit der Prognose eines Budgetdefizits von 3,2 Prozent des BIPs in diesem Jahr aufgeschreckt. Der aktuelle Haushaltsplan war noch von der sozialistischen Regierung unter Ex-Präsident François Hollande verabschiedet worden, die eine Neuverschuldung von 2,8 Prozent prophezeit hatte. Premier Philippe hatte das nun auf acht Milliarden Euro geschätzte Loch im Etat als "budgetäre Entgleisung" gegeißelt, die "inakzeptabel" sei. Präsident Macron weiß, dass die Bundesregierung in Berlin die Beachtung der EU-Haushaltsregeln als Voraussetzung für kühnere Reformen wie etwa die Vertiefung der Euro-Zone mit einem neuen, zusätzlichen Budget begreift.

Um die 3,0-Marke zu unterschreiten, muss Paris 2017 noch mindestens vier Milliarden Euro einsparen. Philippe schloss am Dienstag Steuererhöhungen aus. Allerdings dürften im Wahlkampf versprochene Steuersenkungen verschoben werden. Die bisher für 2018 geplante Abschaffung einer extrem unpopulären "Wohnsteuer", die den Städten und Gemeinden jährlich zehn Milliarden Euro beschert, wird wohl aufs Jahr 2022 verschoben. Und auch eine für 2018 verheißene Entlastung bei der Vermögensteuer wird vertagt.

Philippe kündigte bereits für die nächste Woche Entwürfe für eine Reform des Asylrechts an. Frankreich werde Flüchtlinge aufnehmen, aber die Asylverfahren verkürzen und mit seinen EU-Partnern härter gegen Schlepper vorgehen. Der Premier warnte, die Terrorgefahr in Frankreich sei nicht gebannt. "Es wird neue Attacken geben", sagte er. Seine Nation werde den Terrorismus "mit extremer Härte bekämpfen, ohne zu verleugnen, was wir sind - ein Rechtsstaat."

© SZ vom 05.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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