Frankreich:Schwarzgeld und Kaviar

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Umstrittene Praktiken um die Auszahlung von Löhnen offenbaren sich an der deutschen Botschaft in Paris. Gelder sollen an Steuerbehörden und Sozialkassen vorbei an lokale Mitarbeiter ausgezahlt worden sein.

Von Christian Wernicke, Paris

Die deutsche Botschaft in Paris soll eine "schwarze Kasse" geführt haben, aus der Mehrarbeit lokaler Mitarbeiter an Steuerbehörden und Sozialkassen vorbei entlohnt wurde. Das berichtete Le Monde. Die Zeitung berief sich auf interne Dokumente und die Darstellung zweier inzwischen entlassener Botschafts-Angestellter.

Von November 2007 bis mindestens Sommer 2015, so Le Monde, seien von einem Sonderkonto "mehrere hunderttausende Euro in bar" abgeflossen. Gespeist wurde die schwarze Kasse offenbar durch Zahlungen von Großunternehmen, die in der Residenz des deutschen Botschafters - dem legendären Hôtel Beauharnais am linken Seine-Ufer - Repräsentationsräume für eigene Veranstaltungen angemietet hatten. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes versicherte am Mittwoch, die Vorwürfe würden geprüft.

Nach Darstellung der beiden Kronzeugen - einer ist der frühere Majordomus und Indendant der Residenz, Michel I. - soll das umstrittene Finanzierungssystem 2007 unter dem damaligen Botschafter Peter Ammon etabliert worden sein; Ammon wurde später Staatssekretär und ist heute Vertreter der Bundesrepublik in London. Demnach nutzten Unternehmen wie BMW, Mercedes, Bayer, die Beratungsfirma Roland Berger oder das ZDF das noble, einst von Napoleons Ehefrau Joséphine de Beauharnais bewohnte Palais für Empfänge samt Bewirtung mit Champagner, Kaviar und Langusten. In den Abrechnungen der Botschaft fand sich dann stets ein unspezifischer Posten namens "Allgemeinkosten", der sich in zwei von Le Monde dokumentierten Fällen auf je 3000 Euro belief. Von diesen Zuschlägen seien dann bis zu 14 Ortsangestellte der Residenz sowie Zeitarbeitskräfte bezahlt worden, die für die Events Überstunden geleistet hatten.

Ex-Intendant Michel I. gibt an, er habe dazu jeweils 2000 bis 4000 Euro in kleinen Scheinen von der Bank abgeholt und in Umschlägen verteilt. Zwar hätten die Empfänger eine Erklärung unterschreiben müssen, dass sie die Nebeneinkünfte den französischen Steuer- und Sozialbehörden melden würden. "Aber natürlich hat niemand irgendwas deklariert", zitiert Le Monde den früheren Majordomus der Botschaft.

Michel I. behauptet, die Bargeldzahlungen hätten das Arbeitsklima in der Residenz vergiftet. Er will das Schwarzgeld-System im Sommer 2015 gegenüber der damals scheidenden Botschafterin Susanne Wasum-Rainer angezeigt haben. Als Konsequenz hätten Kollegen ihm "moralische und sexuelle Belästigung" vorgeworfen, die im Oktober 2015 zu seiner Kündigung geführt hätten. Inzwischen hat der Mann vor einem Pariser Schiedsgericht Klage gegen seine Entlassung eingereicht.

Wegen des laufenden Verfahrens wollte sich ein Sprecher der Botschaft dazu nicht äußern. Nach SZ-Informationen ist eine Vermietung von Botschaftsräumen an Dritte grundsätzlich überall in der Welt möglich. Das Auswärtige Amt hat dazu Vorgaben erlassen. Nach Auskunft Berliner Diplomaten gelten auch für das Hôtel de Beauharnais in Paris inzwischen strengere Regeln.

© SZ vom 02.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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