Frankreich:Sarkozys Show

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Sein Ziel ist die französische Präsidentschaftswahl in zwei Jahren: Nicolas Sarkozy beim ersten Kongress der konservativen "Republikaner". (Foto: Yoan Valat/dpa)

Die Konservativen wollen als "Republikaner" zurück an die Macht. Doch unter der weiß getünchten Fassade der neuen Partei liegen gravierende Risse.

Von Christian Wernicke, Paris

Ganz zum Schluss haben sie sogar Händchen gehalten. Für ein paar Sekunden wenigstens, fürs Foto. Nicolas Sarkozy, seit Samstag Frankreichs oberster Republikaner, schaut etwas verkniffen drein, da seine Finger in der rechten Hand von Alain Juppé liegen, seinem ärgsten Widersacher. Auch Juppés Lächeln wirkt angestrengt. Aber immerhin, die beiden Kontrahenten geben sich alle Mühe, den mehr als 7000 Parteifreunden im Saal ein Bild scheinbarer Eintracht zu schenken. So haben sie es sich schließlich geschworen in all ihren Reden an diesem Samstagnachmittag: Dass hier und jetzt "ein neuer Anfang" beginne, mit neuem Partei-Siegel. Als "Les Républicains" wollen Frankreichs Konservative zurück an die Macht. Juppé und Sarkozy stimmen die Marseillaise an. "Formt Eure Truppen", schmettern sie, "wir marschieren!"

Alles ist weiß. Die neue Farbe soll sagen: Schluss mit finsteren Skandalen um Parteispenden

Nicht einmal volle sechs Stunden währte der Gründungsparteitag von Frankreichs Republikanern. Es sind weit weniger Anhänger als erwartet gekommen, das Riesenzelt nebenan mit der Videowand bleibt leer. Die Umtaufe der alten, zerzankten UMP ist vor allem eine Operation politischer Schönheits-Chirurgie: "Die Republikaner" geben sich an diesem Tag kein frisches Programm, ihre führenden Köpfe sind altbekannte Gesichter. Nur der Name, das Logo und die Parteifarbe sind neu: Glänzend weiß strahlen Bühne, Leinwand und aufgereihte Plastikstühle in dieser riesigen Lagerhalle aus Leichtmetall, die Frankreichs Konservative für ihre Neubegründung angemietet haben. Weiß, die Farbe von Reinheit und Unschuld, soll signalisieren: Nun sei Schluss mit den Skandalen um obskure Parteispenden und finstere Wahlkampffinanzierung.

Die Luft ist stickig. Und heiß, eine Klimaanlage kann sich die überschuldete Partei nicht leisten. Eine gute Stunde dümpelt der Parteitag müde dahin, als plötzlich verwackelte Live-Bilder von Nicolas Sarkozy auf der Leinwand erscheinen. Beifall wallt auf, Fahnen wehen, als der Ex-Präsident durch eine Seitentür die Halle betritt. Ein junger Konservativer, der gerade das Saalmikrofon in der Hand hält, bricht seine Rede ab. Stattdessen brüllt er eine Ahnengalerie französischer Nationalhelden in die Lautsprecher: Von Johanna von Orléans über den Sonnenkönig Ludwig XIV. und Napoleon landet er bei Charles de Gaulle - und endet beim großen Vorsitzenden: "Vive la France, vive Nicolas Sarkozy!"

Alles ist auf ihn zugeschnitten. Für den Zurückgekehrten dreht die Saalregie sogar den Ton lauter. Ginge es nach dem Willen der 213 000 Neu-Republikaner, der Retter der Partei würde spätestens 2017 zum "Sauveur", zum Erlöser auch der Nation. Jeder im Saal weiß, dass die Präsidentschaftswahlen in zwei Jahren Sarkozys Ziel sind.

Und er wirkt, als könne er die Schlacht ums Élysée kaum mehr erwarten. Gift und Galle schüttet der 60-jährige Ex-Präsident über Frankreichs Linke aus, die das Land ruiniere und die Nation "mit ihrer Gleichmacherei, mit Neid und Missgunst" in den Ruin treibe. Und François Hollande, seinem Nachfolger, sei nicht zu trauen, weil der 2012 mit linken Versprechen die Wahl gewann, um dann eine andere Politik zu machen: "Ihr habt die Franzosen belogen und eure eigenen Wähler betrogen!", ruft Sarkozy in den Saal und ballt die rechte Faust. Das Publikum jubelt.

Als Gegenprogramm malt Sarkozy dann eine "Republik des Vertrauens" aus. Es ist ein stramm konservatives Programm. Sarkozy beschreibt ein Land, in dem sich Arbeit lohnt, in dem "Kinder ihre Eltern und Lehrer respektieren", in dem anständige Bürger jedem Polizisten und überhaupt aller Staatsmacht vertrauen. Und in dem sich Zuwanderer gefälligst assimilieren: "Die Republik bleibt offen", versichert Sarkozy, aber dann ruft er etwa Frankreichs Muslimen zu: "Es ist nicht Aufgabe der Republik, sich anzupassen. Sondern es ist Ihre Aufgabe, sich der Republik anzupassen." Vieles klingt kräftig, aber fast alles bleibt vage. Gegen Ende seiner Rede wettert Sarkozy auch gegen Europa, das schrecklich "machtlos" sei. Er will den Kontinent "erwecken", die EU brauche "eine Neugründung". Nur, Konkretes bleibt Sarkozy auch hier schuldig.

Und doch, es gibt Zwischentöne, die hinter der weiß getünchten Fassade der neuen Partei alte, bekannte Risse erkennen lassen. Etwa, dass Sarkozys Anhänger johlend buhen und pfeifen, da Juppé, der moderate Konservative, ans Mikrofon tritt. Juppé redet bedächtig, er präsentiert sich als Kandidat des Ausgleichs und mahnt: "Unsere Gesellschaft braucht Befriedung, nicht Vergeltung." Aber das geht unter in der Halle am Pariser Stadtrand, genauso wie die Warnung von François Fillon, Sarkozys ehemaligem Premier, dass die Republikaner "nicht zu einer Kaserne werden dürfen, in der die Mitglieder nur Befehle empfangen." Stattdessen: "Marchons!" Sie wollen marschieren, als Republikaner.

© SZ vom 01.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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