Frankreich:Präsidenten-Prügel

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Was kann Präsident François Hollande noch retten, jetzt, nachdem er die dritte Niederlage bei der dritten Wahl einstecken musste? Eigentlich nichts mehr. Er kann nicht vor und nicht zurück, und die Wähler haben ihn gründlich satt.

Von Christian Wernicke

Der Satz erinnert an die Leiden des Gerhard Schröder. "Ich habe verstanden", sprach einst der sozialdemokratische Agenda-Kanzler, nachdem er - wieder einmal - eine Wahl verloren hatte. Die drei Worte sollten den eigenen, über seinen Reformkurs verbitterten Genossen zeigen, dass der vermeintliche "Kanzler der Bosse" sehr wohl die Sorgen und Ängste der kleinen Leute begreift. Dann machte Schröder weiter - weiter wie zuvor.

Europas Schröder von heute heißt François Hollande. Frankreichs Präsident, als Sozialist gewählt, vollzog vor eineinhalb Jahren eine Wende nach rechts. Seither verfolgt er in Paris einen sozialliberalen Kurs: "Pakt der Verantwortung" taufte er seine Agenda. Hollande betreibt keine Rosskur, sein Programm ist bescheiden. Aber es genügt, um Frankreichs Linke gegen sich aufzubringen. Bei den Départementswahlen erlebte Hollandes Partei deshalb nun ein Desaster: Millionen verbitterte Anhänger verweigerten den Sozialisten ihre Stimme, zwei Drittel aller Landkreise werden künftig von der Rechten regiert. Das Wahlvolk erteilte dem Präsidenten eine Tracht Prügel. Zum dritten Mal in nur zwölf Monaten.

Und nun? Hollande schweigt. Er lässt andere reden. "Ich habe die Nachricht verstanden", spricht Manuel Valls, Hollandes getreuer Premier. Also weiter so? Als Lehre vom Sonntag deutet Valls vage an, mehr Investitionen zu fördern. Der Rest ist Zittern und Bangen. Valls fleht um Geduld. Die Wähler mögen bitte erkennen, dass Hollandes Reformen zu greifen beginnen und das Wachstum anzieht. Und er fordert Geschlossenheit: Sozialisten und Grüne, Kommunisten und Links-Frontler sollten sich um Hollande scharen. Andernfalls drohe Frankreichs zerstrittenen Linken bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2017 der kollektive Exitus.

Präsident Hollande geht unter - und nichts kann ihm helfen

Das stimmt, rein macht-mechanisch jedenfalls. Frankreichs Mehrheitswahlrecht bestraft brutal jede Zersplitterung: Wer auf getrennten Listen in den Wahlkampf zieht, geht gemeinsam unter. Nur, Valls und Hollande haben ihren linken Kritikern nichts zu bieten, um sie zurückzulocken in jene rosarote Koalition, die im Mai 2012 die Macht eroberte. Die damaligen Heilsversprechen sind längst widerrufen. Vollzöge der Präsident jetzt panisch eine erneute Kehrtwende, er würde sein Reformwerk ruinieren. Und sich selbst blamieren. Selbst für kleine Gesten fehlt der Spielraum: Hollande muss sparen. Aus Einsicht, und weil Brüssels Euro-Regeln es verlangen.

Hollande ist ein Zahlenmensch, er sucht seine letzte Hoffnung in den hinteren Kommastellen konjunktureller Prognosen. Als könnten Ölpreis, Euro-Kurs oder Weltnachfrage ihn noch retten. Das zumindest eint Freund und Feind auf der Linken. Auch Hollandes Gegner - die PS-Frondeure in der eigenen Parlamentsfraktion wie die Gauche radicale jenseits der eigenen Reihen - folgen derselben, rein ökonomischen Logik. Als wäre die eigene Sinnkrise nur eine Frage, ob die Kurve der Arbeitsmarktstatistik fällt oder steigt.

Doch das Elend von Frankreichs Linker reicht tiefer. Die PS-Führung hat die langen Jahre der Opposition vor 2012 nicht genutzt, um die eigene Partei mit der Wirklichkeit einer globalisierten Welt zu versöhnen. Das trug dazu bei, dass der PS nun gestrig und gräulich erscheint. Die PS-Elite entstammt jener Generation, die in den Achtzigerjahren die französische Gesellschaft aufwühlte. Anders als in Griechenland und Spanien, wo Syriza und Podemos die Jugend begeistern, fehlt Frankreichs Sozialisten der Zulauf. Die Jungwähler winken ab - oder wählen rechtsradikal.

An diesen Trends kann Hollande so schnell nichts ändern. Das Jahr 2017 dürfte düster werden für ihn. Als Trost bleibt: Gerhard Schröder erfährt heute viel Lob für das, was er einst säte. Nur fuhren andere nach ihm die Ernte ein.

© SZ vom 31.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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