Frankreich:Massiver Polizeieinsatz in Paris

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"Cheminots en Grève" - Schienenarbeiter im Streik: Ein Demonstrant zündet bei den Protesten in Paris am Donnerstag einen Feuerwerkskörper. (Foto: dpa)

Sicherheitskräfte nehmen 95 Personen bei Demonstration gegen Reform des französischen Arbeitsrechts fest.

Von Christian Wernicke, Paris

Erneut haben am Donnerstag Zehntausende, meist linke Franzosen gegen die sozialistische Regierung und deren geplante Lockerung des Arbeitsrechts demonstriert. Die zentrale Kundgebung in Paris, die die Regierung wegen Sicherheitsbedenken zunächst hatte verbieten wollen, wurde von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet. Der Chef der linken Gewerkschaft CGT, Philippe Martinez, warf Premierminister Manuel Valls vor, die Konfrontation zwischen Regierung und Gewerkschaften gezielt zu verschärfen: "Er gießt Öl ins Feuer." Martinez forderte direkte Verhandlungen mit Präsident François Hollande, was dieser ablehnte: "Wir werden diese Reform durchziehen", versicherte Hollande.

Landesweit schätzten die Gewerkschaften die Zahl der Demonstranten auf 200 000, die Behörden sprachen von 70 000 bei insgesamt 120 Kundgebungen. Allein in Paris gingen nach Zählung der Gewerkschaften 60 000 Menschen auf die Straße, die Behörden gaben 20 000 an. Das wäre deutlich weniger als vorige Woche: Am 14. Juni hatten die Behörden die Teilnehmer an der Pariser Demonstration auf 80 000 beziffert, Gewerkschafter wollten damals sogar eine Million Menschen auf der Straße gesehen haben.

Bereits vor Beginn des Demonstrationszugs an der Place de la Bastille am Donnerstagnachmittag nahm die Polizei 95 Personen fest, darunter zwei Journalisten. Der Zugang zum Platz war nur nach strikten Kontrollen möglich: Rucksäcke wurden auf Steine und andere Wurfgeschosse durchsucht, es herrschte striktes Vermummungsverbot. Entlang des nur 1,6 Kilometer langen Marsches setzte die Polizeipräfektur mehr als 2100 Beamte ein. Im westfranzösischen Rennes kam es erneut zu Ausschreitungen: Sondereinheiten der Nationalpolizei gingen mit Tränengas gegen Randalierer vor, die Schaufenster eingeschlagen und ein Auto angezündet hatten.

Das Tauziehen um das Verbot der Proteste war für Hollande peinlich

Trotz der rückläufigen Demonstranten-Zahl fühlen sich die Reformgegner im Machtkampf mit der Regierung gestärkt. Das politische Tauziehen um ein Verbot der Pariser Demonstration sei "ein Werbe-Coup" für die Gewerkschaften gewesen, räumte Jean-Claude Mailly ein, der Vorsitzende des Gewerkschaftsbunds "Force Ouvrière" ("Arbeitermacht"). Die Regierung hatte am Mittwoch den Aufmarsch zunächst unter Verweis auf brutale Ausschreitungen bei früheren Demos untersagt. Dies stieß jedoch umgehend auf Proteste von Bürgerrechtsgruppen wie auch von gemäßigten Gewerkschaften, die die Gesetzespläne der Regierung grundsätzlich aber unterstützen.

Nach Informationen von Le Monde soll Laurent Berger, der Chef der reformorientierten Gewerkschaft CFDT, sofort per SMS bei Hollande und Valls protestiert haben: "Ihr begeht eine Riesendummheit!". Auch öffentlich hatten sich regierungsnahe Gewerkschafter gegen Valls und Hollande gestellt und sich gegen ein Verbot der Demonstration ausgesprochen. Drei Stunden später hatte Innenminister Bernard Cazeneuve dann in einem Krisengespräch mit Martinez und Mailly eine verkürzte und schärfer überwachte Strecke vereinbart - und den Marsch gebilligt.

In Paris wurde das Hin und Her als Konflikt zwischen Premier und Präsident gedeutet: Valls wird ein autoritärer Kurs nachgesagt, er sieht Frankreichs Linke gespalten zwischen einem "regierungsfähigen Teil" und einem "ewig gestrigen Flügel". Hollande gilt als konzilianter, weil er für eine Wiederwahl 2017 die Stimmen linker Sozialisten benötigt. Sein Bekenntnis zur geplanten Reform vom Donnerstag war deshalb zugleich ein Versuch, Gerüchte über Differenzen mit Valls zu widerlegen.

© SZ vom 24.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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