Frankreich:"Sarkozys Plan hat nichts gebracht"

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Fünf Jahre nach den Unruhen in den französischen Banlieues zieht Bruno Pomart eine ernüchternde Bilanz. Der ehemalige Elitepolizist hat seine eigene Methode, Jugendlichen aus Problemvierteln zu helfen.

L. Volkert

November 2005: Nachdem zwei von Polizisten verfolgte Jugendliche in der Pariser Banlieue ums Leben kamen, gab es nächtelang Unruhen in französischen Vorstädten. Der damalige Innenminister Nicolas Sarkozy trug mit seinen Äußerungen über das "Gesindel" nicht eben zur Beruhigung der Lage bei.

Bruno Pomart: Einst Elitepolizist, heute Ansprechpartner für Jugendliche in Problemvierteln. (Foto: privat)

Bruno Pomart, 51, war elf Jahre Mitglied der französischen Antiterroreinheit RAID. 1992 gründete er die Organisation Raid Aventure, seitdem kümmert er sich um Jugendliche aus Problemvierteln.

sueddeutsche.de: Herr Pomart, wie sieht es fünf Jahre nach den Unruhen in Frankreichs Vorstädten aus?

Bruno Pomart: Auf den ersten Blick etwas entspannter, aber das täuscht. Grundlegende Verbesserungen gab es in den letzten Jahren nicht. Auch politisch hat sich nichts bewegt, weder auf nationaler noch auf lokaler Ebene.

sueddeutsche.de: Hat das Programm "Hoffnung für die Banlieues" nichts bewirkt? Nicolas Sarkozy hatte es Anfang 2008 als "Marshall-Plan" für die Vorstädte gepriesen.

Pomart: Das Programm von Staatssekretärin Fadela Amara war nicht schlecht, einige Viertel wurden renoviert, für ein paar junge Leute wurden neue Jobs geschaffen. Aber im Grunde war von Anfang an zu wenig Geld dafür da, seit der Wirtschaftskrise ist es noch weniger. Man muss einfach sehen: Die Probleme der Menschen in den Banlieues sind nichts, was die Politiker umtreibt. Das Thema ist wieder vom Tisch.

sueddeutsche.de: Dabei war es erst neulich wieder aktuell: Bei den Demonstrationen gegen die Rentenreform haben Jugendliche aus den Vorstädten randaliert.

Pomart: Das gehört inzwischen bei großen Demonstrationen leider zum Alltag. Diese Gruppen nutzen die Gelegenheit, durch Gewalt ihren Frust loszuwerden.

sueddeutsche.de: Sie haben Ihre eigene Methode gefunden, mit frustrierten Jugendlichen umzugehen.

Pomart: Seit 1992 versuche ich mit meiner Organisation Raid Aventure Jugendlichen aus schwierigen Viertel grundlegende Werte wie Respekt und Gemeinschaftsdenken zu vermitteln. Wir laden Mädchen und Jungen aus den Banlieues auf unser Gelände in der Nähe von Paris ein. Dort müssen sie eine Woche lang früh aufstehen und alle möglichen Herausforderungen meistern: Mountainbike fahren, sich durch den Hochseilgarten hangeln, mit dem Bogen schießen ...

sueddeutsche.de: Das klingt eher nach Abenteuerurlaub.

Auf der nächsten Seite: Bruno Pomart über eine wichtige Erkenntnis und den Umgang mit Aggressionen.

Pomart: Als Jugendlicher hat mir Sport Selbstvertrauen und inneres Gleichgewicht gegeben, und ich sehe seit Jahren, dass das auch bei anderen so ist. Wenn jemand, der normalerweise nur rumhängt, 20 Kilometer Rad gefahren ist oder nachts einen Orientierungsmarsch gemacht hat, dann spürt er, welche Kraft er in sich hat.

Unruhen in der Pariser Vorstadt (Archivbild von 2005): "Das Thema ist wieder vom Tisch", sagt Bruno Pomart. (Foto: picture-alliance/ dpa)

sueddeutsche.de: Und nach einer aufregenden Woche bei Ihnen kommt er oder sie zurück in sein altes Leben und nichts hat sich verändert.

Pomart: Bis auf die Erkenntnis: Ich kann über meinen Schatten springen und auch Dinge meistern, die anfangs sehr schwierig aussehen. Also schaffe ich es vielleicht auch, morgens aufzustehen, um in die Schule oder arbeiten zu gehen. Für viele ist das ein Schlüsselerlebnis - auch wenn es erst einmal nicht das komplette Leben umkrempelt.

sueddeutsche.de: Sie waren lange Mitglied der Spezialeinsatzgruppe RAID, schürt das keine Aggressionen?

Pomart: Wenn man die Jugendlichen respektiert, respektieren sie einen auch. So einfach ist das.

sueddeutsche.de: Sollten sich das auch Politiker zu Herzen nehmen?

Pomart: Auf alle Fälle. Aber die Politik ist nicht an allem schuld. Man muss auch sehen, dass viele Jugendliche es sich in ihrer Opferhaltung bequem gemacht haben. Sie müssen schon selber etwas an ihrem Leben verändern wollen.

sueddeutsche.de: Hat man Ihnen eigentlich schon mal einen Job in der Politik angeboten?

Pomart: Ja, aber dieses Theaterspielen liegt mir nicht. Ich bin ein Mann der Tat, ich bleibe lieber hier.

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