Frankreich:Ferrand in Bedrängnis

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Zehn Tage vor den Parlamentswahlen durchlebt Frankreichs Regierung ihre erste innenpolitische Krise: Die Staatsanwaltschaft hat Vorermittlungen gegen den Minister für Regionalentwicklung und Wohnungsbau eröffnet.

Von Christian Wernicke, Paris

Zehn Tage vor den Parlamentswahlen durchleben Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und seine Regierung eine erste innenpolitische Krise. Die Staatsanwaltschaft von Brest in der Bretagne eröffnete am Donnerstag strafrechtliche Vorermittlungen gegen Richard Ferrand, den Minister für Regionalentwicklung und Wohnungsbau. Ferrand, einer der engsten Vertrauten Macrons und Mitbegründer von dessen Bewegung "En Marche", wird vorgeworfen, als früherer Chef einer gemeinnützigen Krankenkasse 2011 ein lukratives Immobiliengeschäft zu Gunsten seiner Lebenspartnerin eingefädelt zu haben. Macron hatte im Wahlkampf eine "Erneuerung des politischen Lebens" und strengere ethische Regeln für Politiker versprochen. Trotz massiver Kritik scheint Macron an Ferrand festhalten zu wollen. Regierungschef Edouard Philippe erklärte, der Beginn von Vorermittlungen "ändert nichts": ein Minister müsse erst bei Einleitung eines formellen Ermittlungsverfahrens seinen Hut nehmen. Die schwersten Vorwürfe gegen Ferrand stammen aus einer Zeit, bevor der heute 54-jährige Minister 2012 seine politische Karriere als Abgeordneter in der Nationalversammlung begann. Ein Jahr vor seinem Angang als Kassen-Chef soll er seiner Lebensgefährtin geholfen haben, ein mehrstöckiges Haus in Brest zu kaufen. Die Krankenkasse ließ das Gebäude auf ihre Kosten renovieren und mietete das Objekt als Betreuungszentrum für 42 000 Euro im Jahr an. Der Wert einer Trägergesellschaft, an der Ferrands Partnerin 99 Prozent der Anteile hält, hat sich bis heute ums 3000-Fache erhöht. Früher als geplant stellte Justizminister Bayrou am Donnerstag einen "Gesetzentwurf für Vertrauen ins politische Handeln" vor. Die verschärften Regeln sollen die Beschäftigung von Familienangehörigen als Assistenten ebenso verbieten wie die Beratertätigkeiten von Parlamentariern. Senatoren, Abgeordnete oder Bürgermeister sollen maximal drei Amtsperioden hintereinander ausüben dürfen. Wegen Korruption oder Steuervergehen verurteilte Politiker dürften demnach zehn Jahre für kein Amt kandidieren. Eine Spesenpauschale der Abgeordneten in Höhe von 5770 Euro monatlich soll künftig nur noch nach Vorlage eindeutiger Belege ausgezahlt werden.

© SZ vom 02.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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