Frankreich:Cirque de Sarkozy

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Weil ein Blogger über eine angebliche Ehekrise des Präsidenten schreibt, veranstaltet Sarkozy großen Zirkus: Er lässt den Geheimdienst ermitteln - und macht aus einem Gerücht eine Staatsaffäre.

Lilith Volkert

Glaubt man der Chaostheorie, dann kann ein winziges Ereignis wie der Flügelschlag eines Schmetterlings verheerende Folgen haben - etwa einen Hurrikan.

Zumindest im politischen Mikrokosmos der französischen Hauptstadt scheint diese Theorie zu funktionieren: Hier hat ein Gerücht, das sich Journalisten am Kaffeeautomaten erzählten, eine Staatsaffäre ausgelöst. In ihrem Zentrum: Ein junger Blogger, ein angeblicher Rachefeldzug einer fotogenen Ex-Ministerin, ein Inlandsgeheimdienst - und natürlich Präsident Sarkozy mit seiner Gattin Carla Bruni.

Die Sache beginnt Anfang März: Ein Pariser Blogger verbreitet über Twitter die Nachricht, die Ehe des Präsidentenpaares sei am Ende, beide hätten neue Partner. Dass der Präsident seiner loyalen Umweltstaatssekretärin Chantal Jouanno näher stehen soll als es sich gehört, darüber wird seit längerem in den Redaktionen Pariser Zeitungen getuschelt. Auch dass Carla Bruni, Ex-Model und Sängerin, ein Verhältnis mit dem erfolgreichen Chansonnier Benjamin Biolay haben soll, ist nichts Neues.

Gewicht bekommt die Nachricht allein dadurch, dass der Blog, in dem sie unbedacht veröffentlicht wird, auf der Seite des Elysée-nahen Journal du Dimanche steht. Für viele Journalisten erhält sie damit den Status einer offiziell bestätigten Information. Britische, italienische und deutsche Zeitungen berichten über die vermeintliche Ehekrise, sogar in Indien schaffen es Sarkozy und Bruni in die Zeitungen. Die französische Presse schweigt vorsichtshalber erst einmal.

Eine ärgerliche Sache für Nicolas Sarkozy, der sich und seine Familie zwar gerne in den Medien inszeniert, aber sehr empfindlich reagiert, wenn ihm Inhalt oder Ton der Berichterstattung nicht passen. 2005 musste der Chefredakteur des Magazins Paris Match seinen Hut nehmen, weil er Sarkozys damalige Noch-Ehefrau Cécilia mit ihrem Liebhaber zeigte. Auch der 23-jährige Blogger, der den aktuellen Klatsch verbreitete, und sein Vorgesetzter sind inzwischen ihre Jobs los.

Zur Staatsaffäre wird die Sache, als der Elysée-Palast Rachida Dati verdächtigt, die Quelle des jungen Bloggers zu sein: Die ehemalige Justizministerin habe aus Rache, dass ihr einstiger Förderer Sarkozy sie ins Europaparlament abgeschoben hat, das Gerücht verbreitet. Ihr werden - offiziell natürlich aus anderen Gründen - Dienstwagen und Personenschutz gestrichen.

Doch nicht genug der Paranoia: Hinter dem starken Echo der europäischen Medien sieht Nicolas Sarkozy einen Versuch, Frankreich zu destabilisieren, kurz bevor das Land 2011 die Präsidentschaft der G 20 übernimmt. Sarkozys Kommunikationsberater Pierre Charon spricht gar von einem "organisierten Komplott".

In Frankreich geht es längst nicht mehr um Sarkozys Ehe, sondern darum, wie der Präsident seinen Laden führt. Hat er für die Suche nach der vermeintlichen Informantin sogar den Nachrichtendienst eingeschaltet? Carla Bruni unternimmt schließlich einen weiteren Anlauf, das Schmierentheater endgültig zu beenden und eröffnet damit nur einen weiteren Akt.

"Es gibt kein Komplott", sagt sie dem Radiosender Europe 1 in einem kurzfristig anberaumten Interview - und ganz sicher auch keine Untersuchung: "Man ermittelt nicht über Klatsch." Fast gleichzeitig wird sie von Bernard Squarcini widerlegt. Der Chef des Inlandgeheimdienstes DCRI - der sich eigentlich der Terrorabwehr widmet - bestätigt der Nachrichtenagentur AFP, dass seine Einheit nach dem Informanten gesucht habe.

Peinlich für die Première Dame. Bernard Squarcini versucht umgehend, die Sache wieder gerade zu biegen. "Carla Bruni-Sarkozy beherrscht die Ausdrucksweise der Polizei nicht, aber sie hat nicht Unrecht", schiebt das DCRI nach. "Streng genommen haben wir keine polizeiliche Ermittlung durchgeführt, sondern nur eine Überprüfung vorgenommen, um die Quelle des Gerüchts zu finden."

"Das alles wäre lächerlich, würde es nicht Sarkozys Regierungsstil offenbaren", kommentiert die linksliberale Tageszeitung Libération, die der Affäre an diesem Freitag die ersten drei Seiten widmet. "Eine Affäre, der man normalerweise keinerlei Bedeutung beimisst, hat den bewaffneten Arm des Staates in Bewegung gesetzt." Es sei Teil ihrer Aufgabe, im Interesse der Sicherheit zu überprüfen, ob die Affäre zur Destabilisierung des Staates beitrage, rechtfertigt sich ein Sprecher des DCRI in dem Blatt.

Clara Bruni erklärte in dem Radiointerview übrigens auch, sie und ihr Gatte seien mit Rachida Dati weiterhin gut befreundet. "Der Präsident möchte Dati nicht mehr sehen", hatte Claude Géant, Sarkozys engster Mitarbeiter, dem Satireblatt Le Canard Enchainé zwar vor kurzem noch gesagt, aber auch er ruderte inzwischen zurück. Mit einer Erklärung, die im Elysée-Palast durchaus einleuchtend klingen mag: "Die Wahrheit von gestern ist vielleicht nicht die von heute."

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