Flüchtlinge:Wie Flüchtlinge bei der Rückkehr unterstützt werden

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Flüchtlinge, Wie Flüchtlinge bei der Rückkehr unterstützt werden (Video: SZ/wochit)
  • 55 000 Flüchtlinge werden in diesem Jahr wohl Deutschland wieder freiwillig verlassen. Das sind 20 000 mehr als im vergangenen Jahr.
  • Um Migranten die Rückkehr zu erleichtern, bekommen sie eine Grundförderung.
  • Diese beinhaltet die Reisekosten, ein Reisetaschengeld und eine Starthilfe, je nach Alter und Herkunftsstaat sind das mehrere Hundert Euro pro Person.

Von Bernd Kastner, München

Zum Beispiel Methak B., 32 Jahre alt. Er kam mit seiner Frau und seinem zweijährigen Sohn 2012 aus dem Nordirak nach Deutschland, beantragte Asyl, hoffte auf eine bessere Zukunft. Doch die Familie hatte sich das Leben in Deutschland einfacher vorgestellt, das Heimweh quälte sie, und als die Frau wieder schwanger wurde, entschloss sich Familie B. zur Rückkehr.

Von Freunden erfuhren sie von einem speziellen deutschen Reintegrations-Programm für Rückkehrer in den Nordirak. B. erarbeitete einen Wirtschaftsplan, um ein Schreibwarengeschäft im Zentrum von Erbil aufzumachen. Und er bekam Drucker und Papier im Wert von 5000 Euro bezahlt. Sein Vorhaben funktionierte offenbar: "Ich plane, ein weiteres Geschäft und mein eigenes Haus zu haben", zitiert ihn die Internationale Organisation für Migration (IOM), die mit Methak B. Werbung für ihr Reintegrationsprogramm macht.

55 000. So viele Flüchtlinge werden in diesem Jahr wohl Deutschland wieder verlassen, freiwillig. Das sind 20 000 mehr als im vergangenen Jahr. Wer von ihnen kurz vor einer Abschiebung stand, wird zwar statistisch erhoben, aber nicht ausgewertet. Ebenso wird nicht evaluiert, welcher geförderte Rückkehrer erfolgreich in der Heimat Fuß fasst. Der Aufwand wäre zu groß. Es sind also nur vereinzelte Beispiele bekannt, wie die von Familie B.

Jede freiwillige Rückkehr ist besser als eine erzwungene via Abschiebung. Oft aber verbergen sich auch hinter den "Freiwilligen" Geschichten des Scheiterns. Marion Lich weiß, dass viele Geflohene in Deutschland nie auf die Beine kommen. Sie leitet das Projekt Coming Home der Stadt München, es wurde vor gut 20 Jahren als bundesweit eines der ersten Büros für Rückkehrhilfen gegründet, damals kümmerte man sich vor allem um Menschen, die vor dem Jugoslawienkrieg geflohen waren. Inzwischen ist Coming Home eine anerkannte Institution im Rahmen der Flüchtlingshilfe - einer ganz speziellen Hilfe.

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Rückkehrer werden zu Hause oft als Versager angesehen

Sie kommt Migranten zugute, denen die Abschiebung droht oder sich von Duldung zu Duldung hangeln. Und jenen, die zwar einen Aufenthaltstitel haben, aber sich selbst nach Jahren noch fremd in Deutschland fühlen. Sie spüren quälendes Heimweh und sehen ihr Leben vorüberziehen, ohne dass sie vorankommen. Sie leiden psychisch. Da ist die Heimreise oft der letzte Ausweg. "Rückkehr kann gesund machen", sagt Lich. Einerseits.

Andererseits würden Rückkehrer zu Hause oft als Versager angesehen, weil sie es in der Fremde nicht zu Glück und Wohlstand gebracht haben. Die empfundene Schmach sei oft das größte Hindernis bei einer Rückkehr. "Da können wir ihnen nicht helfen, da müssen sie durch", sagt Marion Lich. Aber oft sei dieser gefühlte Gesichtsverlust besser als das ewige Warten in Deutschland.

Lich gehört zu den wenigen Experten, die das bundesdeutsche Rückkehrmanagement samt seiner Hilfen zumindest weitgehend überblicken. Den kompletten Durchblick hat vermutlich niemand, so unübersichtlich ist das Angebot von Bund, Ländern und Kommunen, das durch Geld von der EU ergänzt wird. Das Nicht-Verstehen beginnt bei den von den Behörden verwendeten Kürzeln für das Standardprogramm, es nennt sich "Reag/Garp". Das steht für "Reintegration and Emigration Programme for Asylum-Seekers in Germany" und "Government Assisted Repatriation Programme" und steht mittellosen Rückkehrern zu, also fast allen.

Die Grundförderung ist bisher eher bescheiden, sie beinhaltet die Reisekosten, ein Reisetaschengeld und eine Starthilfe, je nach Alter und Herkunftsstaat sind das mehrere Hundert Euro pro Person. Von Februar an aber soll sie deutlich aufgestockt werden, dann soll es die "Starthilfe Plus" geben. Das Prinzip dahinter: Je früher ein Migrant Deutschland wieder verlässt, desto mehr bekommt er. Am meisten ist es, wenn einer geht, bevor sein Asylantrag negativ beschieden ist: pro Person bis zu 1200 Euro. Die erste Hälfte des Geldes wird noch in Deutschland ausgezahlt, die andere ein halbes Jahr nach der Rückkehr.

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(Foto: SZ-Grafik; Quelle: IOM)

SZ-Grafik; Quelle: BAMF

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(Foto: SZ-Grafik; Quelle: IOM)

* Bewilligte Anträge, gefördert durch die beiden Programme: Reintegration and Emigration Programme for Asylum-Seekers in Germany (REAG) sowie Government Assisted Repatriation Programme (GARP). SZ-Grafik; Quelle: BAMF

Darüber hinaus bieten diverse Programme von Bund, Ländern und Kommunen Hilfen an, mitunter mehrere Tausend Euro als Basis, um ein kleines Geschäft zu eröffnen. Voraussetzung ist dann aber ein tragfähiger Businessplan, das Geld wird meist nach und nach in der Heimat ausgezahlt. Die Gescheiterten, die mit ihrem Schicksal hadern, kommen so zumindest nicht mit ganz leeren Händen nach Hause. Entscheidender aber ist aus deutscher Sicht, die Heimkehrer bei der Reintegration zu unterstützen, damit sie dauerhaft heimisch werden.

Alle Beteiligten in den zahlreichen involvierten Behörden und Institutionen sind sich einig, dass die Rückkehrförderung systematisiert und ausgebaut werden sollte. Immerhin, es tut sich etwas, nachdem dieser Bereich der Asylpolitik über viele Jahre vernachlässigt wurde. Vor wenigen Jahren hat der Bund ein zentrales Büro eingerichtet, es nennt sich "Bund-Länder-Koordinierungsstelle zum Integrierten Rückkehrmanagement" und ist beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in Nürnberg angesiedelt.

Dort kommt man kaum hinterher, das vielfältige Angebot transparent und verständlich zu präsentieren. Dafür ist unter anderem die Datenbank "Zirf" (Zentralstelle für Informationsvermittlung zur Rückkehrförderung) gedacht, die mit Infos aus den Bundesländern gefüttert werden sollte, bisweilen aber recht vergessen wirkt. So wirbt etwa Bayern für seine Rückkehrberatungsstellen mit einem kleinen Plakat, darauf aber finden sich teils veraltete Adressen. Von ministeriellen, kaum verständlichen Infoschreiben, die zehn Jahre und älter sind, ganz zu schweigen.

Sind die Hilfen zu groß, wäre das Ergebnis kontraproduktiv

Unter der Hand räumen Mitarbeiter diverser Behörden ein, dass noch viel zu tun sei, um die Angebote ansprechend und übersichtlich zu präsentieren. Derzeit muss ein Rückkehrwilliger darauf hoffen, an einen Berater zu geraten, der durchblickt. 1600 Stellen - etwa bei Behörden und Wohlfahrtsorganisationen - sind berechtigt, bei der IOM den Antrag auf die Grundförderung zu stellen. Wer mehr als die paar Hundert Euro will, die Deutschland bietet, ist aber auf gute Helfer angewiesen, die wiederum meist in separaten Büros an anderen Orten sitzen.

Teil der Bund-Länder-Koordinierungsstelle beim Bamf ist die "Arbeitsgemeinschaft Freiwillige Rückkehr", und die hat Leitlinien für eine bundesweite Rückkehrberatung verfasst. Dazu gehört, dass die Perspektiven offen und ehrlich dargelegt werden. Kein Flüchtling soll zum Gehen gedrängt werden: Einem Afghanen etwa sollen auch die Risiken in seiner Heimat geschildert werden. Zugleich soll dargelegt werden, welche Konsequenzen eine Abschiebung hätte, unter anderem ein mehrjähriges Einreiseverbot nach Europa.

Zu den Empfehlungen der Fachleute gehört, das Rückkehrmanagement stärker mit der Entwicklungshilfe zu verzahnen. Und tatsächlich, nun will sich der Bund stärker engagieren, Innen- und Entwicklungshilfeministerium wollen Hand in Hand Rückkehrern bei der Reintegration helfen. Die Fachleute bei der bundeseigenen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) scharren schon mit den Füßen, um ihr Wissen einzubringen. In Kosovo geschieht dies bereits, dort werden pro Jahr etwa 10 000 Personen beraten. Das Pilotprojekt dient als Vorbild für weitere Kooperationen. Ziel ist es, die Rückkehrer zu Hause nicht ganz alleinzulassen. Und jene zu beraten, die sich noch nicht auf den Weg gemacht haben. Viele kommen mit falschen Erwartungen nach Deutschland.

Die Behörden müssen aufpassen, nicht das Gegenteil des Erwünschten zu erreichen: einen Pull-Effekt. Sind die Hilfen nämlich so groß, dass sie weitere Migranten anlocken, wäre das Ergebnis kontraproduktiv. Zudem dürfe das soziale Gefüge im Heimatland nicht gestört werden, warnen Fachleute. Rückkehrer dürfen nicht bessergestellt werden als jene, die ihr Glück nicht in Deutschland gesucht haben.

© SZ vom 28.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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