Flüchtlinge:Kläglich

Deutschland holt immer noch zu wenige Kinder aus den griechischen Lagern. Das ist hochriskant.

Von Constanze von Bullion

Immer mehr erinnert die Hilfsaktion für Flüchtlingskinder aus Griechenland an Herrn Tur Tur. Der Scheinriese aus dem Kinderbuch "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" schrumpft unaufhörlich, wenn man sich ihm nähert. Im März erklärte Bundesinnenminister Horst Seehofer, 5000 Minderjährige lebten unter unerträglichen Bedingungen in überfüllten Flüchtlingscamps auf den griechischen Inseln. Acht europäische Staaten kündigten mit großer Geste an, die Kinder dort herauszuholen - wenn auch plötzlich nur noch 1600. Deutschland will 300 bis 500 übernehmen. Nun ist die Zahl weiter zusammengeschnurrt, auf vorerst 50 Kinder. Das ist kläglich.

Sicherlich, ein erster Schritt ist besser als keiner. Deutschland geht mit Luxemburg voran, während sechs weitere EU-Staaten ihr Hilfsangebot vorerst kassiert haben, coronabedingt.

Eben diese Infektionskrankheit aber sollte allen EU-Staaten, der Kommission und dem UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR endlich Feuer unterm Hintern machen. Wenn so weitergetrödelt wird bei der Auswahl der Kinder, und wenn die Bedenken der Aufnahmestaaten stetig steigen, werden nicht nur geflüchtete Kinder untragbaren Risiken ausgesetzt. Es wächst auch die Gefahr, dass nach dem Ausbruch von Covid-19 ganze Camps mit Infizierten evakuiert werden müssen. Auch Alte und Vorerkrankte gehören gerettet aus den Lagern, sofort. Wenn schon nicht aus Gründen der Humanität, dann wenigstens, um die Griechen vor einer angekündigten Katastrophe zu bewahren.

© SZ vom 09.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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