Flüchtlinge:Familie bleibt zurück

Lesezeit: 2 min

Ein Oberverwaltungsgericht hat entschieden: In Syrien drohe keine Folter, Flüchtlinge bekommen deshalb keinen vollen Schutz.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Die derzeit wichtigste Frage im Umgang mit syrischen Flüchtlingen lautet: Welchen Status haben Menschen, die aus dem Bürgerkriegsland nach Deutschland geflohen sind? Genießen sie den vollen Schutz, oder müssen sie sich mit dem sogenannten subsidiären Schutzstatus begnügen? Tausende Verfahren sind derzeit bei deutschen Verwaltungsgerichten anhängig. Nun hat das Oberverwaltungsgericht Schleswig entschieden, dass im Normalfall nur ein subsidiärer Schutz gewährt wird - es sei denn, es liegen besondere Anhaltspunkte für eine politische Verfolgung vor.

Das Bundesamt für Migration spricht Syrern auch nur noch subsidiären Schutz zu

Es ist die bundesweit erste Entscheidung eines Oberverwaltungsgerichts zu diesem Thema. Das Ergebnis kam einigermaßen überraschend, jedenfalls gemessen an der vorherrschenden Entscheidungspraxis in der ersten Instanz. Etwa drei Viertel der Verwaltungsgerichte haben sich in den gut 3490 bereits entschiedenen Fällen auf die Seite der Flüchtlinge geschlagen und den vollen Flüchtlingsschutz gewährt. Bis zum Frühjahr entsprach dies der Praxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), doch seither hat das Amt seine Linie geändert. Der größere Teil bekommt nur noch subsidiären Schutz zugesprochen; nach Angaben des Amtes ist dies inzwischen bei 94 000 Syrern der Fall. 32 000 von ihnen sind vor die Verwaltungsgerichte gezogen, um ihre Bescheide überprüfen zu lassen.

Eine Syrerin wartet im Verhandlungssaal des Oberverwaltungsgerichtes in Schleswig auf den Beginn eines Berufungsverfahrens. (Foto: Carsten Rehder/dpa)

An diesem Schutzstatus hängt sozusagen das Familienglück. Nur wer den vollen Schutz genießt, kann Ehepartner und Kinder nachholen. Wer dagegen nur subsidiären Schutz zugesprochen bekommt, muss damit mindestens zwei Jahre warten. Das ist auch in der Opposition auf Kritik gestoßen, namentlich, wenn es um Kinder geht. Die Grünen haben einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt, die Linken haben beantragt, die Beschränkung des Familiennachzugs aufzuheben.

Juristisch geht es in dem Streit um den Schutzstatus um folgende Frage: Begründet schon allein der Umstand, dass jemand aus Syrien ins Ausland geflohen ist, eine "beachtliche Wahrscheinlichkeit" einer politischen Verfolgung? Wäre bereits die Flucht eines ihrer Bürger Anlass genug für das Assad-Regime, den Flüchtling Repressionen auszusetzen? So hatte es beispielsweise das Verwaltungsgericht Düsseldorf gesehen: Allen Syrien-Rückkehrern drohe generell eine Foltergefahr, weil sie dort durch das Regime "unter Anwendung menschenrechtswidriger Methoden" verhört würden, urteilte das Gericht Anfang dieser Woche.

SZ-Grafik (Foto: SZ-Grafik)

Das OVG Schleswig dagegen beurteilt die Risiken anders. "Für die Annahme, dass der syrische Staat jeden unter Generalverdacht stellt, der Opposition anzugehören, gibt es keine Anhaltspunkte", sagte laut dpa die Vorsitzende Richterin des dritten Senats, Uta Strzyz. Damit schloss sich das Gericht der Einschätzung des Bamf an.

Ob sich diese Linie durchsetzt, ist vorerst offen. Zwar hat das OVG die Revision nicht zugelassen, doch könnte der Fall der klagenden Syrerin auf ihre Beschwerde hin doch noch zum Bundesverwaltungsgericht gelangen. Außerdem werden auch andere Verfahren den Weg durch die Instanzen gehen, sodass in den nächsten Monaten mit weiteren Entscheidungen zu rechnen ist.

© SZ vom 24.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: