149 Gerettete an Bord der Alan Kurdi, und kein Land in Sicht, das bereit ist, die Menschen aufzunehmen - die Situation erinnert an den Sommer des vergangenen Jahres. "Mit einer Quarantäne-Anordnung hatten wir ja gerechnet, aber nicht damit, dass es jetzt so eskaliert", sagt Gorden Isler am Telefon, der Sprecher der deutschen Organisation Sea-Eye. In der Nacht zum Karfreitag hatten italienische Kräfte zwar eine psychisch labile Person von Bord geholt. 149 weitere Flüchtlinge aber harren auf dem Boot aus - und langsam werden Lebensmittel und Medikamente knapp. Italien hatte seine Häfen vor einigen Tagen mit einem eilig erlassenen Dekret geschlossen, das von vier Ministern unterschrieben wurde, darunter Gesundheitsminister Roberto Speranza, der in solchen Angelegenheiten sonst nicht hinzugezogen wird. Italien erklärt sich darin außerstande, Flüchtlingsschiffen im Mittelmeer als sicherer Hafen zu dienen, die unter ausländischer Flagge unterwegs sind und ihre Fahrt nicht mit der Koordinationsstelle in Rom abgesprochen haben. Der Grund: die Corona-Krise.
Die nationale Notlage im Gesundheitswesen sei dermaßen groß, dass alle Ärzte und Pfleger sowie die ganze Logistik des Landes im Kampf gegen das Virus gebraucht würden. "Das impliziert, dass die Menschen auf See sicherer sind als in Italien", sagt Gorden Isler. "Das finde ich ziemlich zynisch." Maltas Regierung erklärte am Freitag, man habe 70 in die Gewässer des Inselstaats getriebene Migranten gerettet, weitere Rettungen werde es aber wegen der Corona-Pandemie vorerst nicht geben. Und das kriegszerrissene Libyen, das offiziell 14 Corona-Infizierte zählt, will zurückgewiesene Schiffe nicht anlegen lassen - auf einem Schiff der Küstenwache warten vor Tripoli etwa 280 Menschen darauf, an Land gehen zu dürfen.
Das deutsche Bundesinnenministerium forderte Seenotretter am Montag auf, "derzeit keine Fahrten aufzunehmen und bereits in See gegangene Schiffe zurückzurufen", wie es in einem Schreiben heißt. Als das die Alan Kurdi erreichte, war die Crew jedoch bereits dabei, Menschen an Bord zu holen. "Wir wären aber auch losgefahren, wenn wir das Schreiben vorher gehabt hätten", sagt Isler. Die Frage, wo die Menschen ausgeschifft werden können, müsse politisch gelöst werden.
Auch in den Lagern auf den griechischen Inseln ist die Lage weiter katastrophal. Wie der Spiegel zuerst berichtete, hatte ein deutscher Reiseveranstalter der EU-Kommission angeboten, Menschen zum Selbstkostenpreis auf einem seiner Kreuzfahrtschiffe unterzubringen. Die Kommission lehnte das Angebot allerdings ab - für dieselbe Summe könne man viel mehr Menschen auf andere Arten unterbringen, etwa in leer stehenden Hotels oder Appartements auf den Inseln, die zuerst genutzt werden sollen. Wie die griechische Regierung am Donnerstag bekannt gab, will nun auch die Schweiz 20 Minderjährige von den Inseln übernehmen, ähnlich wie zuvor bereits Luxemburg und Deutschland; Österreich habe 181 Wohncontainer gespendet. 40 von ihnen sollen in ein neues Lager auf der Insel Samos gebracht werden, der Rest je nach Bedarf auf die anderen Inseln verteilt werden. Vertreter der Kirchen forderten die EU-Mitgliedstaaten dazu auf, eine humanitäre Krise in Griechenland zu verhindern. Es gelte, "politische Blockaden zu überwinden und - trotz Corona-bedingter Einschränkungen - zu einer schnellen Lösung zu gelangen", sagte der Flüchtlingsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Stefan Heße. Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), sagte der Passauer Neuen Presse: "Wir müssen zeigen, dass Humanität in Europa keine Dekoration ist, sondern zu seinen Grundpfeilern gehört.