Flüchtlinge:Die Boote leeren

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Bei einer Sondersitzung zur Seenotrettung im EU-Parlament redet Kapitänin Carola Rackete den Verantwortlichen ins Gewissen. Es sei Zeit, dass die EU etwas unternehme. Am Dienstag haben die Innenminister das Wort.

Von Karoline Meta Beisel, Brüssel

Die Kapitänin Carola Rackete spricht im EU-Parlament. (Foto: Francisco Seco/AP)

Am Donnerstagvormittag kam der Innenausschuss des EU-Parlaments zu einer Sondersitzung zum Thema Seenotrettung im Mittelmeer zusammen, und dass diese Sitzung ausgerechnet am 3. Oktober stattfand, war sicher kein Zufall: Genau sechs Jahre zuvor waren mehr als 360 Migranten bei einem schweren Bootsunglück nahe der italienischen Insel Lampedusa ums Leben gekommen, bei dem Versuch, die europäische Küste zu erreichen. Und so begann die Veranstaltung, zu der neben Vertretern der EU-Grenzschutzagentur Frontex und der italienischen Küstenwache auch die deutsche Kapitänin Carola Rackete geladen war, mit einer Schweigeminute.

Der Termin war aber auch aus einem anderen Grund gut gewählt: Am kommenden Dienstag treffen sich die EU-Innenminister in Luxemburg, um einen Verteilmechanismus für Menschen zu finden, die von privaten Organisationen aus dem Mittelmeer gerettet zu werden - also für genau jene Situationen, die auch die Abgeordneten am Donnerstag behandelten. Oft dauert es nach der Rettung Tage oder sogar Wochen, bis die Verteilung der Menschen an Bord organisiert ist, und in denen die Boote keinen Hafen ansteuern können. "Es ist Zeit, dass die EU reagiert", sagte Rackete. Gegen die Kapitänin der "Sea Watch 3" laufen in Italien Ermittlungen, unter anderem wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung.

Die EU-Kommission solle sich in den kommenden Wochen auf die Reform der umstrittenen Dublin-Verordnung konzentrieren, die die Verteilung von Asylsuchenden auf die EU-Länder regelt. Gleichzeitig müssten aber auch legale Wege in die EU geschaffen werden. Dass die Innenminister sich derzeit auf jene Migranten konzentrieren, die von Booten wie der Sea-Watch gerettet werden, hält sie für zu kurz gegriffen, weil auch private Handelsschiffe verpflichtet seien, Schiffbrüchigen zu helfen.

Ein Vertreter der EU-Kommission schilderte die bisherigen Rettungsmissionen der EU. "Wir bedauern es, dass die Einigung der Mitgliedstaaten für die Fortsetzung der Operation Sophia aus Rettungsgesichtspunkten nicht so optimal ist wie früher", sagte Michael Shotter. Ende September haben die EU-Staaten das Mandat für die Mission in der vergangenen Woche zwar um sechs Monate verlängert, entschieden aber erneut, bis auf Weiteres keine Schiffe mehr ins zentrale Mittelmeer zu entsenden.

Bei dem Ministertreffen am kommenden Dienstag will Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) gemeinsam mit seinen Kollegen aus Frankreich, Italien und Malta andere EU-Länder davon überzeugen, sich einer freiwilligen Übergangsregelung anzuschließen. Gerettete sollen künftig innerhalb von vier Wochen auf die teilnehmenden EU-Länder verteilt werden. Ziel sei es, "die Boote schnell zu leeren", sagt ein EU-Diplomat.

© SZ vom 04.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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