Flüchtlinge:Den Tod abfangen

Die EU muss Schiffe auf dem Mittelmeer früher stoppen.

Von Stefan Kornelius

Die Europäische Union steht vor dramatischen Wochen, wenn die Afrika-Flüchtlinge weiterhin in der großen Zahl und unter den katastrophalen Umständen über das Mittelmeer kommen wie zu Beginn der sogenannten Saison. Allein: Migration ist kein Saison-Geschäft, sondern ein Dauerphänomen. Und für die Ertrinkungs-Katastrophen gibt es die immer gleichen, unmittelbaren Gründe: Zu viele Menschen werden auf zu kleine, untaugliche Schiffe gepfercht, die es nicht bis Italien schaffen.

Die EU hat nach dem Staatszerfall in Libyen keine Möglichkeit, Schleusern an Land das Handwerk zu legen. Sie kann am Ausgangspunkt der Flucht keine Aufnahme organisieren. Also muss sie es dort tun, wo Migranten dem vollen Risiko ausgesetzt sind und die Katastrophen mit großer Regelmäßigkeit eintreten: auf See, möglichst nahe an der libyschen Küste.

Wenn die EU Katastrophen verhindern und die Migrationswelle beherrschen will, dann muss sie die Dimension begreifen: Sie muss Todeskähne früher abfangen, Migranten auch in großer Zahl und schnell ein Aufnahmeverfahren ermöglichen - und die Menschen nach klaren Regeln notfalls auch abweisen und sicher in ihre Heimatländer zurückbringen. Erst wenn Europa dieses Verfahren in all seiner Dimension bewältigt, dann verlieren Schleuser an Bedeutung, das Risiko sinkt und Migration wird nicht zu einer Angelegenheit von Leben oder Tod.

© SZ vom 20.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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