Fipronil:Skandal um belastete Eier weitet sich aus

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Alleine nach Niedersachsen wurden offenbar mehr als 35 Millionen Stück geliefert. Die Zahl könnte noch steigen.

Von Markus Balser, Berlin

Der Skandal um mit dem Insektizid Fipronil verseuchte Eier hat möglicherweise deutlich größere Ausmaße als bisher angenommen. Nach Angaben des niedersächsischen Landwirtschaftsministers Christian Meyer (Grüne) wurden allein in dieses Bundesland "nach amtlicher Kenntnis" mehr als 35 Millionen Eier geliefert, die möglicherweise mit dem Insektizid belastet sind. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) hatte zuletzt von höchstens 10,7 Millionen FipronilEiern in Deutschland gesprochen.

Die neuen Zahlen gehen auf Daten des EU-Schnellwarnsystems zurück, die von niedersächsischen Behörden bis zum 14. August ausgewertet wurden. In dem Schnellwarnsystem waren zuletzt immer neue Meldungen über betroffene Chargen aus den Niederlanden eingegangen. Aus den Daten geht auch hervor, dass die neue Dimension des Skandals nicht nur Niedersachsen betrifft. Den Angaben aus Hannover zufolge wurde ein Teil der 35 Millionen Fipronil-Eier - knapp 17 Millionen - "nach außen" weitergeliefert. Ein Großteil der Eier wurde aus dem Handel genommen. Unklar ist aber, wie viele Millionen giftbelasteter Eier in Deutschland verkauft oder schon verzehrt wurden.

Behörden gehen davon aus, dass die Zahl der verseuchten Eier in den nächsten Wochen noch steigen könnte. "Wir sind noch nicht am Ende", sagte ein hochrangiger Beamter eines Agrarministeriums am Mittwoch der SZ. "Die Zahl wächst täglich."

Niedersachsens Landwirtschaftsminister Meyer warf Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt vor, die Lebensmittelaffäre bewusst herunterzuspielen. Der Bund hätte ebenso wie sein Ministerium die Daten des EU-Schnellwarnsystems abrufen können. "Auch Sie könnten diese Zahlen kennen", schrieb Meyer in einem auf Mittwoch datierten Brief an Schmidt. Die Bundesregierung wies die Kritik zurück und sprach von einer "massiven Überschätzung der tatsächlich in Deutschland in den Handel gelangten und potenziell mit Fipronil belasteten Eier". Das Ministerium bleibe bei seiner Einschätzung. Fipronil kann Insekten schnell töten. Das Gift wird eingesetzt, um Pflanzen gegen Schädlinge zu schützen oder Haustiere von Parasiten wie Flöhen zu befreien. Wo Lebensmittel produziert werden, ist sein Einsatz verboten, denn in Versuchen an Nagetieren und Hunden hatte die Chemikalie toxische Auswirkungen auf das Nervensystem. Bei Personen, die das Insektizid versehentlich zu sich nahmen, wurden unter anderem Übelkeit, Kopfschmerzen und Krämpfe dokumentiert.

Der Skandal hat seinen Ursprung in Belgien und den Niederlanden. Die belgische Firma Poultry-Vision hatte ein mit Fipronil gepanschtes Desinfektionsmittel an die niederländische Reinigungsfirma Chickfriend geliefert, die es offenbar in Hühnerställen einsetzte. Niederländische Betriebe exportierten belastete Eier in viele europäische Länder, vor allem nach Deutschland. Fipronil wird beim Kochen, Backen und Braten nicht abgebaut. Es kann also auch in Lebensmittel gelangen, in denen Eier verarbeitet wurden.

© SZ vom 17.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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